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Raum

Raum

Titel: Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Donoghue
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glaube, die zanken sich irgendwie. Sie reden stundenlang.
    Dann kommt wieder was anderes, da ist Ma, und sie trägt jemanden, das bin ja ich .
    Ich springe auf und gehe ganz nah an den Bildschirm. Da ist ein Ich genauso wie in Spiegel, bloß bin ich klitzeklein. Unten drunter rutschen Wörter vorbei: LOKALNACHRICHTEN TOP-AKTUELL. Eine Sie-Person redet, aber ich kann sie nicht sehen: »… alleinstehender Sonderling seinen Gartenschuppen in ein abgeschottetes Verlies verwandelt, und das im 21. Jahrhundert. Die Opfer des Despoten sind gespenstisch blass und scheinen sich nach dem endlosen Albtraum ihrer Einkerkerung in einem besorgniserregenden Schockzustand zu befinden.« Jetzt kommt, wie Officer Oh versucht, mir eine Decke über den Kopf zu legen, aber ich lasse sie nicht. Die unsichtbare Stimme sagt: »Hier Bilder des unterernährten Jungen, der nicht aus eigener Kraft gehen kann und dennoch zwanghaft nach einer seiner Befreierinnen schlägt.«
    »Ma«, rufe ich.
    Sie kommt nicht. Ich höre sie rufen: »Nur noch ein paar Minuten.«
    »Da sind wir! Wir sind im Fernseher!«
    Aber alles ist weg. Pilar steht auf, sie hält eine Fernbedienung ausgestreckt und starrt mich an. Dr. Clay kommt raus und sagt wütende Sachen zu Pilar.
    »Wieder anmachen«, sage ich. »Das sind wir, ich will uns sehen.«
    »Es tut mir ganz fürchterlich … ganz fürchterlich leid«, sagt Pilar.
    »Jack, willst du jetzt mit zu deiner Ma kommen?« Dr. Clay hält mir seine Hand hin, sie steckt in einem komischen Plastikdings. Ich fasse es nicht an. »Und nicht vergessen, immer die Maske an.« Er zieht sie mir über die Nase. Ich laufe hinter ihm her, aber nicht zu dicht.
    Ma sitzt auf einem kleinen, hohen Bett in einem Kleid aus Papier, hinten ist es auseinander. Die Personen im Draußen haben wirklich komische Sachen an. »Meine eigenen Sachen mussten sie mitnehmen.« Es ist ihre Stimme, aber ich kann nicht sehen, wo sie aus der Maske rauskommt.
    Ich klettere auf ihren Schoß, der ist ganz zerknittert. »Ich habe uns im Fernseher gesehen.«
    »Habe ich schon gehört. Wie haben wir ausgesehen?«
    »Klein.«
    Ich ziehe an ihrem Kleid, aber da ist kein Reinkommen. »Jetzt geht es gerade nicht.« Anstatt küsst sie mich neben das Auge, aber es ist nicht so ein Kuss, wie ich ihn will. »Gerade hast du aber gesagt …«
    »Ich habe gar nichts gesagt.«
    »Was Ihr Handgelenk betrifft«, sagt Dr. Kendrick, »möglicherweise muss es über kurz oder lang noch einmal gebrochen werden.«
    »Nein!«
    »Psst, ist schon in Ordnung«, sagt Ma mir.
    »Wenn es so weit ist, dann wird sie schlafen«, sagt Dr. Kendrick und sieht mich an. »Der Chirurg macht einen Metallstift hinein, damit das Gelenk besser funktioniert.«
    »So wie bei einem Cyborg?«
    »Wie bitte?«
    »Ja, ungefähr wie bei einem Cyborg«, sagt Ma und grinst mich an.
    »Aber vordringlich scheint mir zunächst einmal die zahnmedizinische Behandlung zu sein«, sagt Dr. Kendrick. »Deshalb werde ich Ihnen sofort Antibiotika verschreiben, begleitet von besonders starken Mitteln zur Analgesie.«
    Ich gähne ganz lange.
    »Ich weiß«, sagt Ma. »Du müsstest schon längst im Bett sein.«
    Dr. Kendrick sagt: »Wenn ich dann jetzt noch kurz Jack untersuchen dürfte?«
    »Nein, das sagte ich doch schon.«
    »Was will sie mir suchen? Ist es ein Spielzeug?«, flüstere ich zu Ma.
    »Das ist überflüssig«, sagt Ma zu Dr. Kendrick.
    »Wir folgen nur dem Prozedere, das für solche Fälle wie diesen vorgeschrieben ist«, sagt Dr. Clay.
    »Oh, dann haben Sie wohl oft solche Fälle, wie?« Ma ist böse, das kann ich hören.
    Er schüttelt den Kopf. »Andere Traumata ja, aber um ehrlich zu Ihnen zu sein, noch keinen Fall, der mit Ihrem vergleichbar wäre. Deshalb müssen wir auch alles richtig machen und Ihnen beiden von Anfang an die bestmögliche Behandlung angedeihen lassen.«
    »Jack braucht keine Behandlung , er braucht nur endlich ein bisschen Schlaf.« Ma redet durch ihre Zähne. »Ich habe ihn nie aus den Augen gelassen, und nichts ist ihm je passiert, schon gar nicht das, was Sie andeuten.«
    Die Ärzte sehen sich an. Dr. Kendrick sagt: »Ich habe nicht gemeint …«
    »Die ganzen Jahre über habe ich ihn beschützt.«
    »Hört sich ganz so an«, sagt Dr. Clay.
    »Jawohl.« Plötzlich laufen auf Mas Gesicht lauter Tränen runter, eine am Rand von ihrer Maske ist ganz dunkel. Warum bringen die sie zum Weinen?
    »Und was er heute Abend … er schläft doch schon im Stehen ein …«
    Ich

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