Raumfahrergarn
als Lunzie ihm mit der Injektionspistole zu Leibe rücken wollte. »Nein, keine Beruhigungsmittel mehr. Ich bin praktisch schon bewußtlos.«
Lunzie starrte ihn an. »Ich dachte, Sie sind immun dagegen.«
Orlig zog eine Grimasse. »Ich brauchte den Schmerz, um wach zu bleiben. Jemand hat die Wand so manipuliert, daß sie auf mich gestürzt ist. Man will mich umbringen.«
Mit einem Seufzen erkannte Lunzie die klassischen Symptome der agoraphoben Paranoia. Sie steckte die Injektionspistole weg und hielt den Hautnäher hoch.
»Also, ich bin Ärztin, und da ich Sie noch nie gesehen habe, bin ich nicht darauf versessen, Sie umzubringen.« Noch nicht, dachte sie. »Und weil ihr Schwerweltler solche Machotypen seid, werde ich Sie bei vollem Bewußtsein wieder zusammenflicken. Beruhigt Sie das?«
»Coromell hat mir nicht gesagt, daß Sie so dumm sind, Doktor.«
Lunzie ließ fast das Instrument fallen, das sie in der Hand hielt. »Coromell?« wiederholte sie. »Erst wollen Sie wissen, welchen Thek ich kenne, und dann kommen Sie mir mit dem Admiral. Wer sind Sie eigentlich?«
»Ich arbeite auch für ihn. Und ich habe eine Information, die er unbedingt erhalten muß. Das ist nicht der erste Anschlag auf mein Leben. Ich habe mir die ganze Zeit einen Vorwand überlegt, um mit Ihnen Kontakt aufzunehmen. Aber ich mußte vorsichtig sein. Ich durfte keinen Verdacht auf Sie fallen lassen …«
»So wie die Wand auf Sie gefallen ist?«
»Ja, aber es hatte auch etwas Gutes, nicht wahr? Ich kann nicht riskieren, daß diese Information verlorengeht.« Er stöhnte. »Ich habe versucht, mit Tor Kontakt aufzunehmen. Ich glaube, damit habe ich mich verraten. Wir Schwerweltler meiden gewöhnlich die Thek.« Er zuckte zusammen. »Na gut, ich glaube, gegen eine örtliche Betäubung habe ich nichts einzuwenden, wenn sie auf meinen Rippen Klavier spielen. Es fühlt sich an, als hätten mich Meteore getroffen. Wie sieht es aus?«
Lunzie betrachtete seine Brust und hielt den Kolibri darüber. »Als hätten Sie Meteore getroffen. Vielleicht kann ich Tor erreichen, ohne daß jemand Verdacht schöpft. Ich weiß nicht warum, aber er mag mich.«
»Das Glück haben nur wenige. Aber Sie müssen den richtigen Thek finden, ohne nach dem Namen zu fragen. Das ist das Schwierige daran. Bei der Größe, die sie in der ARCT haben dürfen, sehen die Thek alle gleich aus. Schauen Sie …« Orligs Stimme wurde schwächer, als der Schock allmählich seine widerstandsfähige Physis erfaßte. Er fummelte an seinem linken Ohr herum und hielt den Kopf schräg. »Verflucht. Haben Sie eine Pinzette? Die Explosion muß ihn mir reingedrückt haben.«
»Wonach suche ich?«
»Einen Keramikspeicher.« Er drehte den Kopf so, daß sie aus einem günstigeren Winkel suchen konnte.
»Sie hätten Ihr Gehör irreparabel schädigen können«, tadelte sie ihn, als sie den Kubus endlich entfernt hatte.
»Das war’s wert. Er ist nicht beschädigt«, erwiderte Orlig ungerührt. »Wenn Sie nicht an Tor herankommen, warten Sie, bis Zebara zurückkommt. Sie können ihm ausrichten, er soll sich Aidkisagl VIII vornehmen, den Seti von Fomalhaut. Der Kubus enthält die restlichen Details.«
»Der Seti von … ihr Regierungsoberhaupt?« Lunzie Stimme wurde zu einem überraschten Piepsen.
»Psst! Behalten Sie’s für sich!« zischte Orlig. »Wer immer sich an dieser Wand zu schaffen gemacht hat, behält mich jetzt vielleicht im Auge, weil er mich noch nicht erledigt hat.«
»Wer?«
Orlig rollte mit den Augen über ihre Naivität.
»Entschuldigung.«
»Machen Sie sich kundig, Doktor, sonst enden Sie so wie ich. Und Sie werden es sicher nicht aushalten, wenn eine Wand auf Sie niederfällt.« Seine Stimme war jetzt nur noch ein dünnes Flüstern.
Sie steckte den Kubus in ihren weichen Schiffsstiefel. »Tor oder Zebara. Verlassen Sie sich auf mich. Aber jetzt bin ich keine Botin mehr, sondern wieder Ärztin.«
Als sie mit ihm fertig war und die Wunden mit Kunsthaut verschlossen hatte, fielen ihm die Augen zu. Das Beruhigungsmittel und der Schock hatten ihn endlich überwältigt.
»Sie sind jetzt in Sicherheit«, murmelte Lunzie. »Ich schiebe Ihnen den Nahrungssynthesizer in Reichweite, damit Sie nicht aufstehen müssen, wenn Sie hungrig oder durstig sind. Ich schließe das Zimmer ab, damit niemand reinkommt. Und ich werde klopfen, wenn ich reinkommen will.«
Orlig nickte schläfrig. »Benutzten Sie eine Losung. Sagen Sie ›Ambrosia‹. So weiß ich, daß Sie es sind oder
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