Raumfahrergarn
bitte, hier spricht der Captain«, dröhnte die Stimme des Captains aus der Lautsprecheranlage. »Bitte begeben Sie sich in aller Ruhe in Ihre zugewiesenen Fluchtkapseln. Dies ist eine vorübergehende Maßnahme. Bitte folgen Sie den Anweisungen der Mannschaft. Danke.«
Inmitten des lauten Stimmengewirrs hörte Lunzie hysterische Hilfeschreie. Sie zwängte sich durch das Gedränge zu einem kleinen Mädchen, das gestolpert und hingestürzt war und nicht mehr aufstehen konnte. Sie wäre um ein Haar totgetrampelt worden. Ihr Gesicht war zerkratzt, und sie weinte. Lunzie rief ihr tröstende Worte zu, hob sie hoch und reichte sie über die Köpfe der Menge zu ihrer kreischenden Mutter weiter. Don begleitete die’ Frau und ihr Kind in den Speisesaal und sorgte dafür, daß sie einen Platz in einer Kapsel bekamen. Als alle Plätze besetzt waren, schlossen sich die Irisluken, und die Kapseln wurden versiegelt. Es war der abrupte Wechsel vom Müßiggang in dem Luxusschiff zur Disziplin eines Notfalls, der den meisten Leuten Schwierigkeiten bereitete. Mit einem medizinischen Notset, das sie einer Luke hinter einem Wandteppich entnommen hatte, hastete Lunzie durch den riesigen Saal hin und her. Sie schiente die gebrochenen Glieder der Niedergetrampelten gut genug, daß sie sich an ihre Plätze begeben konnten, und bandagierte die Schnitte und Schürfwunden von Passagieren, die durch Deckenluken aus den Turboliften klettern mußten. Sie verabreichte Passagieren, die sich am Rande der Hysterie befanden, milde Beruhigungsmittel.
»Nur so viel, um Sie zu beruhigen«, erklärte sie und trug ein sanftes Lächeln zur Schau, obwohl auch sie entsetzt war. »Es wird schon nichts passieren. Hier läuft alles standardmäßig ab.« Ein Unfall im Weltraum! Das konnte ihr unmöglich ein zweites Mal passieren.
»Mein Schmuck!« rief eine blauhaarige Menschenfrau, als sie von einem jungen Mann in feiner Garderobe in den Speisesaal gezogen wurde. »Es liegt alles noch in meiner Kabine. Wir müssen zurück!« Sie riß ihre Hand los und wollte in Richtung der Kabinen weglaufen.
»Haltet sie auf!« rief der Mann. »Madame Cholder, nein!«
Die Frau wurde von einer Welle in Panik geratener Passagiere wieder zu ihm zurückgetragen, versuchte aber immer noch, gegen den Strom anzukommen. »Ich kann meinen Schmuck nicht zurücklassen!«
Lunzie packte sie am Arm, sobald sie in Reichweite war, und drückte ihr die Injektionspistole auf die Schulter. Die Frau bewegte die Lippen, versuchte etwas zu sagen, brach dann aber zwischen Lunzie und dem jungen Mann zusammen. Er sah verwirrt zwischen Madame Cholder und Lunzie hin und her.
»Sie wird etwa eine Stunde schlafen«, erklärte Lunzie. »Das Beruhigungsmittel hat keine dauerhafte Wirkung. Bis dahin werden Sie weit draußen sein. Das Notsignalfeuer sendet schon. Versuchen Sie einfach ruhig zu bleiben.«
»Danke«, sagte er junge Mann aufrichtig, nahm Madame Cholder in die Arme und lief zu einer Fluchtkapsel.
Lunzie hörte hinter sich ein Poltern und Knirschen und fuhr herum.
»Es geht schon wieder los!« Zwei Schiffstechniker sprangen auf die Doppeltüren zu, die sich vor einer hysterischen Menge schlossen. Das Licht ging wieder aus. An der Decke blitze die Reihe roter Notlampen auf und tauchte alle in Schatten.
»Entfernen Sie diesen Schalter!« rief Perkin einem seiner Assistenten zu und deutete auf das offene Steuerpult neben der Tür. »Sie darf sich nur schließen, wenn ein Riß im Rumpf ist.«
»Die ganze Programmierung ist durcheinander, Perkin!« Der andere Techniker zog und drückte an den Hebeln am Steuerpult und versuchte im gedämpften Licht den Bildschirm zu lesen. »Wir müssen versuchen, sie manuell offen zu halten.«
»Wir haben nur ein paar Minuten. Stellen wir uns dazwischen!« Perkin sprang zwischen die schweren Metalltüren, die in diesem Moment zurollten, und versuchte eine zurückzuschieben. Seine Männer kämpften sich durch die Menge, um ihm zu helfen, konnten ihn aber nicht erreichen, ehe er aufschrie.
»Ich werde zerquetscht! Hilfe!« Die Türen hatten ihn eingeklemmt.
Seine Schreie elektrisierten Lunzie. Indem sie alle Kräfte mobilisierte, die ihr die mentale Disziplin zugänglich machte, bahnte sie sich einen Weg durch die Menge. Perkins Gesicht war schmerzverzerrt, als er sich den Türen zu entwinden versuchte, die ihn der Länge nach zweizuteilen drohten. Der Adreanalinschub durchfuhr sie in dem Moment, als sie die erste Reihe erreichte. Sie und die anderen
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