Raumfahrergarn
bemerkenswert ähnlich, soweit es bei einem jungen Mann und einer jungen Frau überhaupt möglich war.
»Wir sind von Geburt an immer die besten Freunde gewesen«, fügte Cassia hinzu.
»Also so was!« Lona, Derams jüngere Schwester, eine schlaksige Siebzehnjährige, fuhr hoch und strich ihr langes, glattes schwarzes Haar zurück. »Wie könnt ihr nur so lügen? Ihr streitet euch die ganze Zeit wie zwei Tokme-Vögel.«
»Lona, so etwas sagt man nicht«, tadelte Cassia und warf Lunzie einen nervösen Blick zu, aber die Teenagerin starrte sie mit störrischer Geringschätzung an.
Von allen Enkelkindern sah Lona ihrer Fiona am ähnlichsten. Lunzie fühlte sich im Laufe des Abends immer mehr zu dem Mädchen hingezogen und hatte dabei das Gefühl, als spreche sie mit ihrer eigenen, lang verschollenen Tochter. Die anderen Cousins und Cousinen wurden deswegen ein wenig neidisch und fanden, daß Lona die Aufmerksamkeit ihrer geschätzten neuen Verwandten nicht für sich allein beanspruchen sollte.
Lunzie hörte die geflüsterten Streitereien mit und erkannte, daß sie im Begriff war, einen Familienkrach auszulösen. Sie lenkte die Aufmerksamkeit behutsam auf ein anderes Thema und widmete sich nacheinander jedem ihrer Enkel. Alle lächelten zufrieden, als schließlich die Erwachsenen eintrafen.
Lars begrüßte sie und Tee mit großen Gesten. »Fünf Generationen unter einem Dach!« rief er. »Großmutter Lunzie, es ist uns eine Freude, dich bei uns zu haben. Willkommen!«
Lars war ein untersetzter Mann, der Fionas kantigen Kiefer und eine etwas kleinere Ausführung ihrer Augen geerbt hatte, die einen vertrauten widerspenstigen Ausdruck hatten, den Lunzies als ein Familienmerkmal erkannte. Sein Haar war dünn geworden, und Lunzie schätzte, daß er seinen siebzigsten Geburtstag völlig kahl feiern würde. Seine Frau Dierdre war modisch schlank, hatte aber einen knochigen Hals. Sie hatte sich nicht sehr verändert, seit Lunzie das erste Hologramm gesehen hatte. Drew, Melanies dritter Sohn, war eine stämmigere Ausführung seines fröhlichen älteren Bruders. Er begrüßte Lunzie mit einem schmatzenden Kuß auf die Wange.
»Wir haben auch eine Überraschung für dich«, fügte Lars hinzu und trat von der Tür weg, um noch jemanden einzulassen. »Unser Bruder hat erst letzte Woche Landurlaub bekommen.«
Dougal war ein stattlicher Mann. Er hatte Fionas gutes Aussehen und einige Gene von Lunzies Großvater mütterlicherseits geerbt, der auch groß und schlank gewesen war und breite Schultern gehabt hatte. Er ähnelte Lunzie mit seinem mittelbraunen Haar und den grünen Augen und hatte ihre kurze, gerade Nase. Seine Flottenuniform war makellos weiß wie die von Tee, aber er trug mehr Bänder um die Handgelenke und auf der linken Brustseite eine Reihe von Orden.
»Willkommen, Lunzie. Fiona hat mir viel über dich erzählt. Ich hoffe, es wird ein langer Besuch und der erste von vielen weiteren.«
Lunzie sah sich nach Tee um, der die Achseln zuckte. »Tja, ich weiß es nicht. Es gibt einige Dinge, um die ich mich wahrscheinlich kümmern muß. Aber ich werde so lang bleiben, wie ich kann.«
»Gut!« Dougal schloß sie so fest in die Arme, daß sie quietschte. »Ich habe mich schon darauf gefreut, daß du mir Geschichten erzählst.«
Lars wollte seinem Bruder Vorwürfe machen, aber Melanie ging dazwischen.
»Abendessen, Jungs.« Sie sah die beiden auf eine Weise an, die Lunzie nur als vielsagend beschreiben konnte, und führte sie ins Eßzimmer.
* * *
»Melanie, ich muß schon sagen, du hast das Kochtalent meiner Mutter geerbt. Das war einfach köstlich«, sagte Lunzie. Sie und Tee saßen sich an einem Ende des langen Tischs rechts und links von Dalton gegenüber. Lars saß am anderen Ende und nickte väterlich über den Wein hinweg. »Womit war dieses Karottenpürree gewürzt? Und die Sellerie-Kräuter-Suppe war ein Genuß.«
Melanie strahlte über Lunzies Lob. »Gewöhnlich sage ich, daß die Rezepte ein Familiengeheimnis sind, aber vor dir kann ich sie wohl nicht verbergen, was?«
»Ich hoffe nicht. Ich würde wirklich gern mal einen Blick in deine Rezeptdatei werfen. Dafür kann ich dir einige meiner Tricks verraten.«
»Nimm sie beim Wort«, mischte sich Tee ein und wedelte mit dem Löffel. »Laß es nicht zu, daß sie es sich anders überlegt, Melanie. Lunzie ist eine hervorragende Köchin. Was mich angeht, habe ich jetzt viele Jahre lang synthetische Nahrung gegessen, und da ist das hier wie eine
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