Raumfahrergarn
Einigkeit vor den Toren.«
»Der ARFE?« erwiderte Drew schockiert. »Können sie euch den Laden nicht dichtmachen?«
»Sie können es versuchen. Aber wir werden auf substantielle Verluste verweisen, die weit über die Einkünfte aus den Produktverkäufen hinausgehen, und sie können nicht mehr tun, als anzunehmen, was wir ihnen anbieten.«
»Warum protestieren sie denn?« fragte Lunzie beunruhigt.
Lars tat es mit einem Wink als unbedeutend ab. »Sie vertreten die Ssli, die wir letzten Monat aus den Unterwasser-Produktionsstätten entlassen haben. Sie sind für den Job nicht geeignet.«
»Aber die Ssli sind Meeresbewohner. Warum sollten sie ungeeignet sein?«
»Das würdest du nicht verstehen. Sie sind zu anders. Sie können sich nicht an die anderen Angestellten anpassen. Und es gibt Probleme, sie zu versichern. Wir müssen für jeden mobilen Tank, den sie als Unterkunft auf das Gelände mitbringen, einen Fahrer anstellen. Und dann gibt’s noch etwas: sie leben unmittelbar auf dem Firmengelände. Wir hätten ihretwegen fast unseren Versicherungsschutz verloren.«
»Nun ja, sie können nicht jeden Tag aus dem Meer auftauchen«, bemerkte Tee bissig.
»Das sagen sie.« Lars tat die Ssli mit einem Stirnrunzeln ab. Tees Sarkasmus war ihm völlig entgangen. »In ein paar Tagen haben wir die Sache geregelt. Wenn sie nicht gehen, müssen wir die Produktionsstätte ganz schließen. Sie werden andere Arbeit finden. Wir haben angeboten, für sie unseren Vermittlungsdienst auszuweiten.«
»Ach so, ich verstehe«, sagte Lunzie zögernd. »Das ist sehr großzügig von euch.« Sie verlangte von der Firma zwar nicht, daß sie sich der Gerechtigkeit zuliebe in den Bankrott wirtschaftete, sie fand aber, daß Lars die moralischen Aspekte dieser Situation völlig zu mißachten schien.
Lars richtete einen wohlwollenden Blick auf sie. »Danke, Großmutter, freut mich, das von dir zu hören.«
Melanie und Lars’ Frau strahlten über ihr Lob. Auch ihnen waren die zynischen Untertöne völlig entgangen.
»Wird es heutzutage als altmodisch betrachtet, wenn man Bücher liest?« fragte Lunzie Tee später, als sie allein im Gästezimmer waren. »Seit ich das erste Mal aus dem Kälteschlaf aufgewacht bin, war ich bisher nur auf der Plattform und auf Astris. Ich habe keine Ahnung, wie sich die Gesellschaft als Ganzes entwickelt hat.«
»Hast du dir darüber Gedanken gemacht?« fragte Tee, als er die Uniformjacke auszog. »Nein. Das Lesen ist in den letzten Jahren nicht aus der Mode gekommen, auch nicht in den Jahren davor, in denen du wach warst, und auch nicht in den Jahren, als du im Asteroidengürtel geschlafen hast. Deine Verwandten setzen sich einfach nicht gerne tiefgründigen Gedanken aus. Sie könnten sonst von ihnen beeinflußt werden.«
Lunzie zog ihre Stiefel aus und ließ sie auf den Boden fallen. »Was hältst du von ihnen?«
»Von deinen Verwandten? Sehr nett. Ein wenig protzig, sehr konservativ, würde ich sagen. Konservativ in jeder Hinsicht, außer daß sie uns zusammen in dieses Gästezimmer gesteckt haben, statt uns an gegenüberliegenden Enden des Hauses unterzubringen. Ich bin aber froh, daß sie es getan haben. Ich würde mich kalt und einsam fühlen, wenn ich nur diese trockenen Moralapostel um mich hätte.«
»Ich auch. Ich weiß nicht recht, ob ich mich über sie freue oder von ihnen enttäuscht bin. Sie zeigen so wenig Esprit. Alles, was sie tun, geschieht aus kleinlichen Motiven. Sie sind so seicht. Typische Bodenbewohner, einer wie der andere.«
»Außer das Mädchen, glaube ich«, sagte Tee nachdenklich und setzte sich auf einen flauschigen Stuhl neben dem Bett.
»O ja, Lona. Ich muß mich dafür entschuldigen, daß ich sie mit dem Rest dieser … dieser engstirnigen Bande in einen Topf geworfen habe. Sie ist die einzige mit ein bißchen Mumm. Ich hoffe, sie ist vernünftig und verschwindet von hier, sobald sie kann.«
»Das sollten wir auch.« Tee setzte sich hinter Lunzie und begann ihr den Nacken zu massieren.
Lunzie seufzte, entspannte ihren Rücken und lehnte sich gegen ihn. Er legte einen Arm um ihre Schultern und küßte ihr Haar, während er mit einer Hand ihre Muskeln knetete. »Ich glaube, ich werde nicht lang höflich bleiben können. Wir sollten ein paar Tage bleiben und uns dann eine Entschuldigung ausdenken, um abzureisen.«
»Wie du möchtest«, sagte Tee leise und spürte, wie sich die Knoten der Verspannung in ihrem Rücken lösten. »Ich hätte auch nichts dagegen, von hier zu
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