Raumschiff 4 - Channa
Damscus saß zitternd auf der Bettkante. Darunter gab es nichts. Nicht einmal Beine, um es hochzuhalten, nur irgendeine Art von Feldmechanismus, und doch bewegte es sich nicht. Sie zitterte wieder und blickte auf die Tablette in ihrer Hand hinunter. Der merkwürdige dunkle Mann, den sie Doktor Chaundra nannten, hatte sie ihr gegeben und gesagt, daß sie sich danach besser fühlen würde. Sie wollte sich aber nicht besser fühlen. Sie wollte den Schmerz fühlen, weil der Schmerz ihr bewies, daß sie tatsächlich noch am Leben war.
Ihr Blick huschte in der winzigen Kabine hin und her. In der Ecke stand ein Waschbecken. Sie stürzte darauf zu und warf die Tablette in den Abguß, nestelte an den unvertrauten Bedienelementen, bis Wasser herausschoß. Dann eilte sie zum Bett zurück und war sich auf demütigende Weise bewußt, wie sehr das dünne Krankenhaushemd ihren Körper enthüllte. Und sie wußte auch um die Emotionen, die unter der Oberfläche ihres Verstands kochten, die wie große Gesteinsbrocken in der Dunkelheit mahlten und sich bewegten…
Ich wünschte, ich wäre zu Hause,
dachte sie
niedergeschlagen. Doch das Zuhause war fort, viel weiter als all die Lichtjahre, die zwischen diesem verfluchten Ort hier und der Sonne Safran lagen. Zu Hause, das war in Keriss gewesen… aber Keriss war nur noch giftiger Staub, der über Bethels Firmament schwebte. Mutter, dachte sie. Vater. Kleine Schwester Delilah.
Die meisten anderen Betheliter, denen die Flucht gelungen war, kamen von den Ländereien der Sierra Nueva. Arnos’
Familie stammte in gerader Linie von dem Propheten ab, seit zwanzig Generationen waren sie Mitglieder der Synode der Patriarchen. Von Anfang an hatte ihnen die Stadt Elkbre gehört und dazu Zehntausende von Quadratkilometern um sie herum.
Und es war immer eine aufgeklärte Familie gewesen, so sehr wie alle anderen, mehr als die meisten. Daher hatte sich die Zweite Offenbarung dort weit verbreitet. Rachel war erst spät hinzugestoßen. Nachdem ich Arnos sprechen hörte, dachte sie und vergrub das Gesicht in den Händen. Er war wie der wiedergekehrte Prophet. Eine neue Stimme, die die unerträgliche Last der Konvention beiseite fegte. Und er ist so schön…
Die Tür der Abtrennung öffnete sich. Joseph kam als erster hinein, eine Hand unter dem Revers seiner Jacke verborgen, wie es seiner Sitte entsprach. Arnos folgte und Rachel stürzte vor, warf sich ihm in die Arme und packte ihn heftig. Es dauerte einen Augenblick, bevor sie die Verlegenheit spürte, mit der er ihren Rücken tätschelte. Sie wich zurück, raffte ihr Kleid. Das betonte nur noch seine Fadenscheinigkeit, und sie errötete heftig und senkte den Blick zu Boden.
»Verzeih, ehrwürdiger Herr.«
Er machte eine wegwerfende Geste. »Kein Grund, förmlich zu werden, Rachel«, sagte er. »Geht es dir gut?«
»Ich bin erleichtert«, erwiderte sie. »Sie wollten mir nur sagen, daß du zurückkehren würdest, aber nicht, wohin man dich gebracht hatte oder warum. Wo bist du gewesen?«
Besorgt hob sie den Blick und musterte sein Gesicht.
Er zögerte einen Augenblick. »Joseph und ich hatten eine Zusammenkunft mit den Stationsleitern. Wir haben eine
Bestattungszeremonie für jene in die Wege geleitet, die auf unserer Reise hierher gestorben sind.«
Rachel wandte sich beiseite, um ihm die Verlegenheit zu ersparen. »Man darf ihnen nicht trauen.«
»Was meinst du damit, Rachel?« Sein Ton klang besorgt, aber auch streng.
»Noch nichts«, erwiderte sie mürrisch und ließ den Kopf hängen. Dann ergriff sie sein Handgelenk so fest, daß es schmerzte, und blickte ihm ernst in die Augen. »Aber wer weiß? Es sind Mezamerin.« Fremde. In der alten liturgischen Sprache, Ungläubige.
»Rachel, fang nicht jetzt noch damit an, die Ältesten
nachzuäffen«, sagte Joseph empört. Etwas sanfter legte er ihr dann die Hand auf die Schulter. »Hast du die Medizin
genommen?«
»Ja«, antwortete sie brüsk und schüttelte seine Hand ab. Dann wandte sie sich seufzend an Arnos. »Es tut mir leid, ehrwürd-
… Arnos.«
Wieder überkam sie die Erinnerung: die überfüllte Kabine und der üble süßliche Geschmack hinter dem Rachen, als die Kälteschlafinjektion zu wirken begann.
»Ich… dachte, ich wäre gestorben, als ich hier aufwachte«, sagte sie. »Mein Vater… habe ich es dir schon erzählt?«
»Nein«, sagte Arnos und nahm dabei ihre Hand. Seine
dunkelblauen Augen strahlten plötzlich von Mitgefühl. »Hat er dich verflucht?«
»Ja. Als
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