Raumschiff 4 - Channa
grimmig.
»Vergleichsweise zu was?«
»Dazu, es der ganzen Station zu verkünden«, antwortete sie.
»Oh.«
»Erzähl doch keinen Unsinn, Joat«, sagte Seld Chaundra abfällig. »Piraten! Für wen hältst du mich! Für ein
Kindergartenkind?«
Ja, dachte Joat. »Ich lüge nicht, du Idiot«, erwiderte sie.
Sie befanden sich in Selds Unterkunft, die aus einem Schlaf-und einem Arbeitszimmer bestand; beide Räume lagen abseits der Unterkunft seines Vaters in der Nähe des Hauptlazaretts der Nordkugel. Das Arbeitszimmer war vollgestopft mit
Schiffsmodellen und Holopostern, die meisten davon aus Reisekatalogen, aber es waren auch ein paar aus
Abenteuerserien darunter. Am besten gefiel Joat das eine mit dem glubschäugigen Mann, der zwischen den Kiefern eines mit Reißzähnen bewehrten, dreiköpfigen Ungeheuers schrie, das mit ihm über den Ruinen eines brennendes Gebäudes
wedelte. Merkwürdigerweise glich der Mann dem Kapitän, der sie beim Glücksspiel von ihrem Onkel gewonnen hatte.
»Gib mir noch einen Riegel«, fügte sie hinzu. Seld schnippte ihn von der Couch hinüber, auf der er lag. Joat fing ihn in der Luft ab und warf die Hülle zu Boden. Seld zuckte zwar kurz zusammen, sagte aber nichts.
»Wie kannst du bloß so viele von den Dingern essen?« fragte er schließlich, als sie den Riegel vertilgte.
»Muß sie solange essen, wie es welche gibt«, erwiderte sie und kaute mit geöffnetem Mund. Wieder zuckte er zusammen.
Er ist ein Jammerlappen, dachte sie. »Jedenfalls sollen sie bald hier sein.«
»Na klaaaaar…«
Plötzlich wurde Seld gegen die Rückenlehne der Couch
geschleudert. Er stieß ein ersticktes Krächzen aus, als Joats kräftige dünne Hände ihn über Kreuz unter dem Hals am
Jackett packten. Ihre hageren Knöchel bohrten sich
schmerzhaft in seine Luftröhre. Er konnte überhaupt nicht mehr atmen, weil sie gleichzeitig auf seinem Magen kniete.
»Hör zu, du Jammerlappen…«
»Ich bin kein Jammerlappen!« keuchte er.
»… und ich erzähle dir keinen Unsinn! Hier.« Sie ließ ihn los, stapfte zu seinem Schreibtisch und schlug einen Chip gegen die Aufnahmeplatte seines Bildschirms. Der Schirm leuchtete auf und zeigte den Kontrollraum mit Simeons Säule und einer Menge aufgebrachter Kapitäne.
Seld hörte mit heruntergeklappter Kieferlade zu. »Piraten«, räumte er schließlich ein. »He! Das ist doch privat, du hast diesen Chip gestohlen!«
»Hab ich nicht, habe nur die Zuleitung angezapft und ihn kopiert.«
»Unbefugtes Kopieren ist aber Diebstahl, Joat. Und das Belauschen offizieller Konferenzen ist…« Seld verstummte, unfähig, das Vergehen zu benennen.
Blöder Jammerlappen, dachte Joat. Wenn er solche Sachen sagt, klingt er genau wie sein Vater. Aber sein Vater war sehr viel netter, als ihrer es gewesen war. Joats Erinnerungen an elterliche Fürsorge waren von jener Art, von der man nachts schweißgebadet aufwachte. Hoffentlich war er inzwischen am Jeleb Alptraumrauch krepiert. Ihr Onkel war noch schlimmer gewesen, nachdem er sie übernommen hatte, aber wenigstens wußte sie, daß ihr Onkel tot war. Sie schob solche Gedanken als Zeitverschwendung beiseite.
»Okay, dann bin ich eben eine Datenbanditin – und jetzt hör dir gefälligst an, was sie sagen, ja?«
Seld blinzelte und gehorchte. »Großer Gott«, flüsterte er.
»Wir werden tatsächlich bald von Piraten angegriffen.« Seine Augen leuchteten auf. »He, Joat, das ist ja wie im Holo.«
Joat verpaßte ihm einen Tritt.
»Weshalb hast du das denn getan?« wollte er empört wissen.
»Weil ich dich mag, Blödmann«, sagte sie.
»Wirklich?« fragte er, richtete sich auf und schnitt wieder eine Grimasse. »Verdammt komische Art, einem das zu
zeigen, doofe Kuh.«
»Selber doof. Seld, das ist kein Holo. Diese Piraten, diese Kolnari, sind echt. Die Hälfte der Outies auf dem Schiff, das beinahe die Station wegrasiert hätte, waren tot, hast du das gespeichert? T-o-t, tot, erledigt, ab ins große Steuerparadies, tot. Wir reden hier von Schwerverbrechern, Seld. Ich meine, das könnte uns ganz schön in die Klemme bringen – dich, mich, Simeon, Channa, deinen Vater.«
»Ja«, meinte Seld kleinlaut und sah völlig verstört drein.
»Aber was können wir tun?« Das letzte Wort kam nur unsicher hervor, als Seld sich mächtig mühte, sich vor Joat nicht anmerken zu lassen, wieviel Angst er wirklich hatte.
»Komm her und hör auf Mami«, sagte sie. »Simeon hat ein paar Ideen. Ich habe noch mehr.«
Rachel bint
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