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Raumstation Erde

Raumstation Erde

Titel: Raumstation Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clifford D. Simak
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und hob den Toten auf. Er wog beinahe nichts, als sei ihm durch den Tod eine Dimension genommen, als sei er kleiner und unbedeutender geworden. Konnte es sein, fragte er sich, daß der goldene Nebel Gewicht hatte?
    Enoch ging hinaus, zündete im Schuppen die Lampe an und machte sich auf den Weg zur Scheune.
    Seit Jahren war er nicht mehr dort gewesen, aber nichts hatte sich verändert. Durch ein festes Dach vor dem Wetter geschützt, war sie trocken und unbeschädigt geblieben. Von den Tragbalken hingen Spinnweben, überall lag eine dicke Staubschicht. Einzelne Heubüschel drangen durch die Ritzen des Heubodens herab. Es roch trocken, süßlich, staubig.
    Enoch hängte die Laterne an einen Haken und kletterte die Leiter zum Heuboden hinauf. Im Dunkeln, denn er wagte nicht, die Lampe in diesen vertrockneten Heuhaufen zu tragen, zerrte er die Bretter aus Eichenholz unter den Verstrebungen hervor.
    Hier hatte sich eine eingebildete Höhlung befunden, in der er als Junge viele schöne Regentage verbrachte, wenn er nicht ins Freie konnte. Er war Robinson Crusoe in seiner Inselhöhle gewesen, oder ein namenloser Geächteter, der sich vor seinen Verfolgern verbergen mußte, ein Mann auf der Flucht vor skalpjagenden Indianern. Er hatte ein Gewehr gehabt, ein Holzgewehr, aus einem Brett gesägt, mit Hobel, Messer und einem Stück Glas geglättet. Dieses Gewehr hatte er als kostbaren Schatz gehütet - bis zu dem Tag, als er zwölf geworden war, und sein Vater von einer Fahrt aus der Stadt ein richtiges Gewehr mitbrachte, nur für ihn bestimmt.
    Dann stieg er die kleine Treppe zum Kornspeicher hinauf, wo er das Werkzeug aufbewahrte. Er hob den Deckel des großen Werkzeugkastens und fand ihn mit längst verlassenen Mäusenestern angefüllt. Er holte Stroh, Heu und Gras heraus, womit die Nagetiere ihre Heim gebaut hatten und legte das Werkzeug frei. Es glänzte nicht mehr, die Flächen waren von der weichen Patina angegraut, die langes Unbenutztsein mit sich bringt, aber nirgends zeigte sich Rost, und die Schneiden waren scharf geblieben.
    Er suchte das erforderliche Werkzeug heraus, stieg hinunter und machte sich an die Arbeit. Vor einem Jahrhundert hatte er schon einmal getan, was er jetzt tun mußte: einen Sarg bei Laternenlicht zu schreinern. Und damals hatte sein Vater im Haus gelegen.
    Die Eichenbretter waren hart und spröde, aber das Werkzeug leistete noch gute Dienste. Er sägte, hobelte und hämmerte, es roch nach Sägemehl. Die Scheune war stumm und heimelig, das Heu auf dem Boden erstickte den Lärm des heulenden Windes.
    Er machte den Sarg fertig, und der war schwerer, als er gedacht hatte; also holte er den alten Schubkarren und lud den Sarg darauf. Mühsam, oft anhaltend, um sich auszuruhen, rollte er ihn zu dem kleinen Friedhof im Obstgarten.
    Und hier, neben dem Grab seines Vaters, schaufelte er ein anderes Grab; Schaufel und Pickel hatte er mitgebracht. Er grub nicht die ganzen zwei Meter tief, die üblich waren, denn er wußte, daß er dann den Sarg nie hineinbringen würde. Er grub nur etwa ein Meter zwanzig tief, beim Licht der Laterne, die auf dem Erdhaufen stand. Aus dem Wald flatterte eine Eule heran, saß eine Weile ungesehen irgendwo im Obstgarten, klagte und schrie. Der Mond sank im Westen, und die Wolken lösten sich auf, um den Sternen freie Bahn zu schaffen.
    Endlich war das Grab fertig, der Sarg eingelegt. Die Laterne flackerte, denn der Spiritus war beinahe zu Ende.
    In der Station suchte Enoch nach einem Leintuch, in das er die Leiche einwickeln konnte. Er steckte eine Bibel in die Tasche, hob das eingehüllte Wesen auf, und im ersten schwachen Licht der Morgendämmerung marschierte er damit zum Obstgarten. Er legte den toten Veganer in den Sarg, nagelte den Deckel zu und kletterte aus dem Grab.
    Am Rand blieb er stehen, zog die Bibel aus der Tasche und fand die gesuchte Seite. Er las laut vor, ohne die Augen im schwachen Licht anstrengen zu müssen; denn der Text stammte aus einem Kapitel, das er sehr oft gelesen hatte:
    »In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen.«
    Während er das las, dachte er daran, wie gut das paßte, wie viele Wohnungen es geben mußte, um alle Seelen in der Galaxis zu behausen - und in allen anderen Galaxien, die sich, vielleicht in alle Unendlichkeit, durch den Raum erstreckten.
    Er las zu Ende und sprach die Begräbnisformeln aus dem Gedächtnis, so gut es ging. Dann schaufelte er das Grab zu.
    Sterne und Mond waren verschwunden, der Wind hatte sich gelegt. In der

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