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Raumstation Erde

Raumstation Erde

Titel: Raumstation Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clifford D. Simak
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Stille des Morgens schimmerte der östliche Himmel rosig.
    Enoch stand neben dem Grab, die Schaufel in der Hand.
    »Leb wohl, mein Freund«, sagte er.

16
     
     
    Enoch stand auf, trug das Tagebuch zum Regal zurück und schob es an die richtige Stelle. Er drehte sich um und zögerte.
    Er hatte viel zu tun. Er mußte seine Zeitungen lesen, sein Tagebuch weiterführen. In den letzten Ausgaben des Journal for Geographical Research< gab es einige Artikel, die er sich ansehen wollte.
    Aber er hatte keine Lust dazu. Es gab zuviel Stoff zum Nachdenken, zuviel Sorgen, zuviel Trauer.
    Die Spione waren immer noch hinter ihm her. Er hatte seine Schattenwesen verloren. Und die Welt stürzte in den Krieg.
    Obwohl er sich vielleicht keine Sorgen machen sollte, was aus der Welt wurde. Er konnte ihr entsagen, aus der Menschheit austreten, sobald es ihm beliebte. Wenn er nie mehr hinausging, wenn er die Tür nie mehr öffnete, würde es keine Rolle mehr für ihn spielen, was die Welt trieb oder was ihr zustieß. Denn er hatte eine Welt, viel größer, als irgend jemand außerhalb der Station sich jemals erträumen konnte. Er brauchte die Erde nicht.
    Aber noch als er das dachte, begriff er, daß er sich damit nicht abzufinden vermochte. Auf seltsame Weise brauchte er sie doch.
    Er ging zur Tür, sagte das Wort, und sie öffnete sich. Er trat in den Schuppen, und sie schloß sich hinter ihm.
    Er ging um das Haus herum und setzte sich auf die Verandatreppe.
    Hier hatte alles angefangen, dachte er. Er war an jenem Sommertag hier gesessen, als die Sterne über endlose Abgründe des Raums nach ihm griffen.
    Die Sonne stand tief im Westen und bald würde es Abend sein. Schon nahm die Hitze ab, aus dem Tal fächelte ein kühler Wind herauf. Über dem Waldrand kreischten Krähen.
    Es würde schwerfallen, die Tür zu schließen. Schwer, nie mehr Sonne oder Wind zu spüren, nie mehr den wechselnden Geruch der Jahreszeiten zu genießen. Der Mensch war nicht bereit dazu. Er brauchte Sonne und Erde und Wind, um Mensch zu bleiben.
    Er sollte das öfter tun, dachte Enoch, herauskommen und dasitzen, nichts tun, nur schauen, die Bäume und den Fluß im Westen, die Bläue der Iowa-Berge jenseits des Mississippi, die Krähen am Himmel und die Tauben auf dem Scheunendach.
    Es würde sich lohnen, das jeden Tag zu tun, denn was bedeutete schon, eine Stunde zu altern? Er brauchte seine Stunden nicht zu rationieren - jetzt noch nicht. Vielleicht würde er einmal sehr eifersüchtig auf sie achten, und von diesem Tag an konnte er die Stunden und Minuten, ja, sogar die Sekunden, wie ein Geizhals horten.
    Er hörte die rennenden Schritte um das Haus kommen, taumelnd, erschöpft, als habe der Laufende eine weite Strecke zurückgelegt.
    Er sprang auf und trat in den Hof hinaus, um zu sehen, wer das sein konnte, und sie kam auf ihn zugerannt, mit ausgebreiteten Armen. Er fing sie auf und hielt sie fest, um sie vor einem Sturz zu bewahren.
    »Lucy!« rief er. »Lucy! Was ist denn geschehen, Kind?«
    Seine Hände an ihrem Rücken fühlten sich warm und klebrig an, er löste eine Hand und sah, daß sie blutverschmiert war. Ihr Kleid war am Rücken feucht und dunkel.
    Er ergriff sie bei den Schultern und schob sie weg, um ihr Gesicht zu sehen. Es war tränenüb er strömt und angstverzerrt.
    Sie machte sich los und drehte sich um. Ihre Hände tasteten sich hinauf, zerrten das Kleid von den Schultern, ließen es am Rücken halb hinabgleiten. Über den Schultern zeigten sich lange Striemen, aus denen Blut tropfte.
    Sie zog das Kleid wieder hinauf und wandte sich ihm zu. Sie machte eine flehende Geste und deutete zum Hang, auf die Wiese hinunter, die zum Wald führte.
    Dort unten bewegte sich etwas, jemand kam durch den Wald, hatte beinahe den Wiesenrand erreicht.
    Sie mußte es gesehen haben, denn sie warf sich Enoch zitternd entgegen, suchte seinen Schutz.
    Er bückte sich, hob sie auf und lief zum Schuppen. Er sagte das Wort, die Tür öffnete sich, und er trat in die Station. Hinter ihm schloß sich die Wand.
    Er stand da, Lucy Fisher auf den Armen, und wußte, daß er einen großen Fehler gemacht hatte - daß das, was er getan hatte, bei nüchterner Überlegung nicht geschehen wäre.
    Aber er hatte instinktiv gehandelt, ohne nachzudenken. Das Mädchen hatte Schutz verlangt, und hier genoß sie ihn, hier konnte nichts an sie heran. Aber sie war ein menschliches Wesen, und als solches hätte sie die Schwelle nie überschreiten dürfen.
    Aber nun war es geschehen, es

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