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Raus aus dem Schneckenhaus

Raus aus dem Schneckenhaus

Titel: Raus aus dem Schneckenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Morschitzky , Thomas Hartl
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Gegenwart. Furcht ist demnach eine auf spezifische Situationen bezogene Angst, eine auf den Moment, das Hier und Jetzt gerichtete Angst. Unbestimmte Angst im Sinne einer allgemeinen Befürchtung, dass irgendwann in der Zukunft irgendetwas Schlimmes passieren könnte, führt zu einem ständigen Grübeln, was denn alles passieren könnte, sowie zu unangenehmer körperlicher Verspannung, ohne dass es zu einer sichtbaren Reaktion kommt. Intensive Furcht vor einer konkreten Bedrohung bewirkt eine körperliche Alarmierung mit sofortigem Flucht- und Vermeidungsverhalten. Der Begriff der Furcht bezeichnet die spezifische Sozialphobie sehr zutreffend, während er für die meisten generalisierten sozialen Ängste unpassend ist. Um die Symptomatik einer generalisierten Sozialphobie zu beschreiben, ist der Begriff Angst angebracht, weshalb man auch zunehmend von einer sozialen Angststörung spricht.
    Neben Furcht und Angst werden Menschen mit sozialen Ängsten sehr stark von den Gefühlen Scham, Peinlichkeit und Verlegenheit bestimmt. Das Gefühl der Scham bedeutet, dass das Gefürchtete bereits eingetreten ist, dass die Furcht gleichsam zur Gewissheit geworden ist. Scham ist eine Emotion, die auf der Überzeugung beruht, sich in einer bestimmten Situation blamabel oder lächerlich verhalten zu haben. Es ist ein Gefühl, das sozial ängstliche Menschen befällt, wenn sie glauben, durch inadäquate Verhaltensweisen und an sich harmlose Körpersymptome unangenehm aufzufallen. Scham bewirkt ein Gefühl der Unterlegenheit. Man erlebt sein eigenes Verhalten als demütigend und möchte am liebsten im Erdboden versinken. Während Angst verschwindet, wenn die gefürchtete Situation vorüber ist, bleibt das Gefühl der Scham weiterhin bestehen: als Erinnerung an ein vermeintliches Fehlverhalten oder eine subjektive Niederlage in aller Öffentlichkeit.
    Das Gefühl von Peinlichkeit ist weniger schlimm als Scham, weil es die Folge eines Überraschungseffekts ist, ohne dass deswegen etwas Erniedrigendes passiert sein muss. Es kann z. B. peinlich sein, wenn man sich bei bestimmten Verhaltensweisen wie Singen oder Sich-Umziehen allein glaubt und dann auf einmal feststellt, dass man schon längere Zeit beobachtet wurde. Peinlich sind auch kleine Ungeschicklichkeiten, ein »Fauxpas« und/oder Etikette-Fehler, z. B. wenn etwa jemand auf einer Party ein Weinglas umwirft und einen Fleck auf die Tischdecke macht, oder wenn ein Mann plötzlich entdeckt, dass der Reißverschluss seiner Hose geöffnet ist. Peinlichkeit und Scham als mehr oder weniger belastende emotionale Reaktionen auf ein bereits eingetretenes Missgeschick veranlassen den Menschen oft zur Flucht bzw. zum Rückzug aus einer subjektiv erniedrigenden Situation. Stattdessen wäre es sinnvoller, durchzuhalten und Humor zu zeigen, weil die Betroffenen dann erleben könnten, dass ihnen andere Menschen trotz oder gerade wegen ihres kleinen Missgeschicks auch weiterhin mit Sympathie und Hilfsbereitschaft begegnen.
    Schüchternheit geht gewöhnlich mit einem Gefühl der Verlegenheit einher. Erhöhte Selbstbeobachtung in Anwesenheit anderer Personen verstärkt das Unwohlsein. Verlegenheit führt zu einer sichtbaren allgemeinen »Nervosität«, und zwar im Sinne einer körperlichen Anspannung und Unruhe, häufig auch zu einem Erröten des Gesichts, was wiederum ein Gefühl des »Gesichtsverlusts« und der peinlichen Betroffenheit auslöst.
    Alle Emotionen wie Verlegenheit, Beklemmung und Minderwertigkeitsgefühle, die mit Scham zusammenhängen, verstärken und verschlimmern soziale Ängste. Während wir bei Angst und Furcht noch die Hoffnung haben können, einer sozialen Demütigung zu entkommen, wird bei Scham, die sich analog einer Panikattacke bis zu einer Schamattacke steigern kann, das soziale Versagen ganz aktuell erlebt. Das Schamgefühl kann so destruktiv sein, dass vorübergehend sogar das ganze Leben wertlos erscheint und Selbstmordgedanken auftreten können. Permanente soziale Ängste mit Misserfolgserlebnissen machen richtiggehend depressiv.
    Wie bereits deutlich wurde, neigen sozial ängstliche Menschen dazu, in sozialen Situationen erhöhte Verantwortung zu übernehmen und alle Probleme sich selbst zuzuschreiben, sodass häufig sehr belastende Schuldgefühle auftreten, die erst recht ständige Versagens- und Unterlegenheitsgefühle bewirken.
    Menschen mit sozialen Ängsten sind oft auch innerlich voller Aggressionen – als Reaktion auf ihre Frustration. Sie ärgern sich über

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