Raus aus dem Schneckenhaus
Partner beleidigt. Und das halte ich nicht aus, weil ich immer geliebt werden möchte.«
Gehören Sie zu jenen Personen, die für die meisten sozialen Situationen die nötigen Voraussetzungen mitbringen, sie jedoch aufgrund ihrer Ängste oder wegen ihrer Rücksichtnahme auf andere nicht umsetzen können? Sind Ihnen die Bedürfnisse Ihrer Mitmenschen wichtiger als Ihre eigenen? Sind Sie gleichsam »süchtig« nach Harmonie? Dann ist es kein Wunder, wenn Sie Ihre an sich vorhandenen sozialen Fähigkeiten nicht einsetzen, um Streit und Konflikte zu vermeiden. Möchten Sie anderen Menschen keinerlei Probleme bereiten? Versprechen Sie zu viel, weil Sie nicht Nein sagen können und andere nicht enttäuschen möchten? Dann kann es Ihnen durchaus passieren, dass Sie andere irgendwann enttäuschen und verärgern, wenn Sie alle abgegebenen Versprechungen nicht erfüllen können oder wenn Sie unter der Last der selbst auferlegten Verpflichtungen zusammenbrechen.
Lebensgeschichtliche Faktoren: die Macht prägender Umwelteinflüsse
Gehe deinen Weg
und lass die Leute reden.
DANTE ALIGHIERI
Soziale Ängste basieren zum Teil auf ganz bestimmten Lebenserfahrungen. Sie haben jedoch auch andere Ursachen, weil andere Menschen mit ähnlichen Schicksalen keine sozialen Ängste und Phobien entwickelt haben. Kinder aus derselben Familie können sich – je nach genetischen, persönlichkeitsspezifischen und sozialen Faktoren – sozial völlig unterschiedlich entwickeln.
Soziale Angststörungen sind schon von der Definition her Störungen in den zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Frage ist daher berechtigt, ob es Unterschiede zwischen den Sozialisationsbedingungen von Sozialphobikern und denen anderer Personen gibt. Es ist zurzeit noch unklar, in welchem Ausmaß familiäre und außerfamiliäre Faktoren tatsächlich die Ursache und nicht etwa erst die Folge einer sozialen Phobie sind. Zugespitzt lautet die zentrale Frage: Sind negative soziale Erfahrungen die Ursache für die Ausprägung einer sozialen Phobie oder erst die Folge eines sozialphobischen Verhaltens der Betroffenen? Die gegenwärtig wohl angemessenste Antwort lautet: Es bestehen Wechselwirkungen zwischen Person und sozialer Umwelt, aber keinesfalls einseitige Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Schwierige Lebensumstände begünstigen zwar im Sinne eines Belastungsfaktors die spätere Ausprägung einer sozialen Phobie, sind aber nicht deren primäre Ursache. Niemand ist schuld an sozialen Ängsten, alle haben jedoch die Verantwortung, an einer Besserung mitzuwirken.
Fehlende Bindungssicherheit: kein Urvertrauen ohne Geborgenheitserfahrung
In der Kindheit begünstigt das Fehlen einer engen Beziehung zu einem Erwachsenen die spätere Entwicklung einer sozialen Angststörung.Wärme und Fürsorge sind wichtig für die soziale und emotionale Entwicklung des Kindes. Die Erfahrung, von klein auf geliebt und akzeptiert zu werden, begründet das Vertrauen zu sich selbst und zur sozialen Umwelt. Die Wertschätzung seitens anderer Menschen fördert die Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls. Kinder mit sicheren Bindungen, das heißt mit Geborgenheitserfahrung, gehen viel leichter erfolgreich Kontakte mit Gleichaltrigen ein als Kinder, die keine oder nur eine ständig bedrohte Geborgenheit in der Familie erlebt haben. Kinder ohne sichere Bindungen haben oft von klein auf Schwierigkeiten, Vertrauen zu anderen Menschen zu entwickeln und soziale Kompetenz zu erlangen. Frühkindliche Bindungsstörungen können die Ursache für spätere soziale Beziehungsstörungen sein.
Geborgenheitsverlust durch die Trennung von Vater oder Mutter begünstigt das Risiko einer sozialen Angststörung erheblich. Spätere Verlassenheitsängste können durchaus die Reaktion auf ein früheres Verlassen- oder Im-Stich-Gelassen-Werden darstellen. Die übergroße Empfindlichkeit für soziale Kritik kommt daher, dass die Betroffenen aufgrund ihrer negativen Lebenserfahrungen immer gleich mit dem Schlimmsten rechnen, nämlich mit der existenziellen Bedrohung fundamental bedeutsamer sozialer Beziehungen. Trotz großer Sehnsucht nach Nähe und Geborgenheit ergreifen sozial ängstliche Personen nicht die Chance, engere Sozialkontakte einzugehen, weil ihre Angst vor neuerlicher Enttäuschung übermächtig ist. Nur durch eine gewisse Distanz können sie sich vor zu viel vermeintlich gefährlicher Nähe schützen und Kontrolle über die aktuellen Sozialkontakte ausüben.
Ungünstiger Erziehungsstil:
Weitere Kostenlose Bücher