Raus aus dem Schneckenhaus
ihre Unfähigkeit, ihre Wünsche offen auszudrücken und ihre Ziele zu erreichen. Sie sind voll Wut auf andere Menschen, die dies besser schaffen, und hassen manchmal regelrecht jene Menschen, die sie für ihre Eigenart verantwortlich machen: ihre demotivierenden Eltern, ihren nörgelnden Partner, ihre ständig kritisierenden Lehrer und Vorgesetzten, ihre tratschenden Bekannten und Verwandten, ihre mobbenden Arbeitskollegen. Aus Angst, von ihren Mitmenschen dann erst recht abgelehnt zu werden, halten sie ihren Zorn jedoch zurück.
Fazit: Menschen mit sozialen Ängsten möchten im Umgang mit anderen Menschen alle möglichen negativen Gefühle vermeiden. Sie sind damit so sehr beschäftigt, dass ihnen angenehme Gefühle und Empfindungen nichts bedeuten, wenn sie nicht zuvor ihre negativen Emotionen losgeworden sind. Wir schlagen Ihnen dagegen ein anderes Vorgehen vor: Lassen Sie Ihre Angst und Furcht zu und besinnen Sie sich auf andere Triebfedern Ihres Handelns, und zwar auf Ihren Ehrgeiz, etwas ganz Bestimmtes erreichen zu wollen, und auf Ihre Neugierde, etwas Unbekanntes erleben zu wollen.
Fehlende soziale Kompetenz
Viele sozial ängstliche Menschen zeigen unterschiedliche Verhaltensweisen, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie in Sozialkontakten unpassend sind. So entschuldigen sie sich z. B. ständig, sind übertrieben höflich, schweigen zu oft, reden zu viel oder zu wenig über sich und eher über andere als mit anderen, sprechen monoton, ohne Blickkontakt und ohne Mimik, passen sich an andere Menschen an, ohne eigene Wünsche zu formulieren, weil sie um jeden Preis beliebt sein möchten, vermeiden Konflikte aus Angst vor Spannung und Streit, können manchmal aber auch mit aggressiven Durchbrüchen reagieren.
Soziale Fähigkeiten, Selbstbehauptung, Durchsetzungsfähigkeit und Selbstsicherheit werden heute unter dem Überbegriff soziale Kompetenz zusammengefasst. Allgemein gesehen ist soziale Kompetenz die Fähigkeit, soziale Situationen angemessen einzuschätzen und das eigene Verhalten in diesen Situationen so steuern zu können, dass unter Berücksichtigung der jeweiligen sozialen Normen und der Bedürfnisse anderer die eigenen Ziele erreicht werden. Ganz konkret umfasst der Bereich der sozialen Kompetenz vor allem folgende Fähigkeiten:
berechtigte Wünsche äußern und Forderungen stellen können,
unbillige Forderungen oder Bitten anderer abschlagen und Nein sagen können,
Kritik äußern und ertragen können,
öffentliche Beachtung aushalten können,
Gespräche beginnen, fortführen und beenden können,
erwünschte Kontakte arrangieren können,
auf Kontaktangebote reagieren können,
unerwünschte Kontakte beenden können,
positive und negative Gefühle offen ausdrücken können,
um Hilfe oder um einen Gefallen bitten können,
Komplimente geben und annehmen können,
Schwächen eingestehen und sich entschuldigen können,
kooperieren und Konflikte lösen können.
In welcher Beziehung stehen nun soziale Ängste und geringe soziale Fähigkeiten? Was ist die Ursache, was die Folge? Mangelnde soziale Kompetenz ist meist nicht die Ursache sozialer Ängste, kann diese jedoch erheblich verstärken. Soziale Ängste und Phobien können durchaus die Folge mangelnder sozialer Fähigkeiten im Umgang mit anderen Menschen sein. Dies trifft vor allem auf zahlreiche Patienten mit einer generalisierten Sozialphobie zu, insbesondere auf Personen, bei denen die Störung in einem sehr frühen Lebensalter begonnen hat. Andererseits können soziale Ängste, wie etwa Angst vor Liebesverlust, auch die Ursache dafür sein, dass die Betroffenen ihre an sich vorhandene soziale Kompetenz nicht einsetzen.
Menschen mit sozialen Ängsten wurden früher oft vorschnell soziale Defizite unterstellt und entsprechende Trainingsmaßnahmen angeboten. Heute weiß man: Die meisten Sozialphobiker haben ausreichend soziale Kompetenz. Sie haben jedoch entweder kein Vertrauen in ihre sozialen Fähigkeiten oder sie setzen sie nicht im nötigen Ausmaß ein. Der Grund dafür ist neben einer stressbedingten Blockierung der vorhandenen Fähigkeiten oft die Angst vor Kritik und Konflikten im Falle einer erfolgreichen Selbstbehauptung. Es handelt sich dabei um ein Sicherheitsverhalten mit dem Ziel, scheinbar drohendes Abgelehnt-Werden oderPeinlichkeit zu vermeiden oder zu vermindern. Eine typische Antwort einer sozialängstlichen Frau, die durchaus über soziale Kompetenz verfügt, lautet: »Ich könnte mich zwar durchsetzen, aber dann ist mein
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