Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)
zu zögern, packte Raven eine Holzfälleraxt, einen Spaten und eine Sense, dann hetzte er zurück.
Der Efeuteppich vor der Tür war merklich dichter geworden, stellte aber immer noch keine große Gefahr für ihn dar, obwohl er die Werkzeuge mit beiden Händen halten musste und sie deshalb nicht einsetzen konnte. Er überwand das kritische Stück auch jetzt mit wenigen weiten Sätzen.
Einer der Leibwächter war tot, wie er zu seinem Schrecken erkennen musste. Das Efeu hatte ihn erdrosselt. Auch um die Hälse der beiden anderen Männer hatten sich Ranken geschlungen und damit begonnen, sie zu würgen.
Raven erkannte, dass für die beiden Männer jede Hilfe zu spät kam. Sie befanden sich tief inmitten der Pflanzenmasse. Ihre Abwehrbewegungen waren bereits erlahmt und ihre Gesichter rot angelaufen; es konnte nur noch Sekunden dauern, bis auch sie das Bewusstsein verlieren und sterben würden.
Zu seiner Erleichterung entdeckte Raven, dass wenigstens Hillary noch am Leben war. Das Efeu hatte sich so dicht um ihren Körper geschlungen, dass sie wie in einem Kokon eingeschlossen war, der nur ihren Kopf weitgehend frei ließ, abgesehen von der Ranke, die sich wie ein Knebel durch ihren Mund gewunden hatte. Ihre Augen waren von Panik erfüllt.
Verbissen versuchte Hives, sich zu ihr durchzukämpfen. Der bullige Mann wütete wie ein Berserker unter den dämonischen Pflanzen. Büschelweise packte er die Ranken, die in seine Richtung schnellten und zerriss sie mit seiner puren Muskelkraft, aber auf Dauer führte auch er einen Kampf auf verlorenem Posten.
»Hier, Hives, fangen Sie!«, rief Raven und warf ihm die Sense zu, da der Butler von ihnen allen vermutlich am Besten damit umgehen konnte. Geschickt fing Hives sie auf, aber er war einen Moment abgelenkt, und das wurde ihm fast zum Verhängnis. Mehr als ein Dutzend Ranken schlangen sich gleichzeitig um seinen Leib.
Er geriet ins Taumeln, schaffte es jedoch, sich auf den Beinen zu halten. Gleich darauf hatte er die Ranken mit der scharfen Schneide der Sense durchtrennt.
Raven kümmerte sich nicht weiter um ihn. Er drückte den Spaten Janice in die Hand, dann eilten sie Seite an Seite dem Butler zu Hilfe. Zwar war Hives inzwischen tief in die Pflanzenmasse vorgedrungen, und mit der Sense schaffte er es jetzt noch leichter, sich einen Weg zu bahnen, doch hinter ihm war das Dickicht bereits wieder nachgewachsen und drohte ihn einzuschließen.
Wie besessen hieb Raven mit der Axt auf die zum Teil mehr als fingerdicken Stränge ein, um sich zu Hives vorzukämpfen, damit sie gemeinsam versuchen konnten, Hillary zu befreien. Schon nach kürzester Zeit rann ihm der Schweiß in Strömen von der Stirn. Dicht neben ihm schwang Janice den Spaten und hieb mit den Kanten des Stahlblattes auf das Efeu ein.
Es gelang ihnen, bis zu Hives vorzudringen, und mit vereinten Kräften kämpften sie sich weiter auf Hillary zu.
Sie waren nur noch knapp zwei Yards von ihr entfernt, als der lebende Kokon, in dem sie eingeschlossen war, sich aufrichtete, sodass sie in fast aufrechter Haltung in der Luft hing. Ein Stück vor ihr wuchs ein besonders dicker Strang in die Höhe und schnellte dann plötzlich vor.
Wie ein Speer bohrte er sich in Hillarys Brusthöhe durch den Kokon, so kraftvoll, dass er auf der anderen Seite wieder austrat!
Hillary Benson riss die Augen weit auf. Blut rann an dem Strang in ihrem Mund vorbei aus ihrem Mund, dann brach ihr Blick.
An der Eingangstür stieß Sir Anthony einen erstickten Schrei aus und brach ohnmächtig zusammen ...
»Er kommt wieder zu sich«, stieß Janice mit einem Blick zu Sir Anthony hervor.
Mit knapper Not war es ihnen gelungen, sich nach Hillarys Tod durch die Pflanzenhölle bis zur Eingangstür zurückzukämpfen und Sir Anthony ins Haus zu tragen, wo sie ihn auf eine Couch im Salon gebettet hatten. Auch Card war inzwischen hinzugekommen.
Raven wandte sich vom Fenster ab. Er hatte am eigenen Leib erfahren, wie ungeheuer stark die Efeuranken waren; es dürfte für sie kein großes Problem sein, die Fensterscheiben zu zerschmettern und auch ins Haus selbst einzudringen.
Aus irgendeinem Grund verzichteten sie jedoch zumindest bislang darauf. Stattdessen schienen sie sich damit zu begnügen, ihren Opfern lediglich den Fluchtweg zu versperren. Der gesamte Hof war mittlerweile nahezu mannshoch von ihnen überwuchert. An der Rückseite des Hauses und den Seitenflügeln sah es nicht viel anders aus, wie Raven sich überzeugt hatte, auch wenn es sich
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