Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)
Thermometer eingelassen war, führte in die Kühlkammer. Auch hier lagerten zahlreiche Lebensmittel, aber von Mrs. Baltimore war keine Spur zu entdecken.
Raven wollte schon umkehren, wandte sich dann aber stattdessen der zweiten Tür zu, die es in der Vorratskammer gab. Sie führte in den übrigen Kellerbereich, den sie am Nachmittag bereits gründlich durchsucht hatten. Hier gab es zahlreiche Räume, von denen die meisten leer standen.
Ohne recht zu wissen, wonach er suchte, inspizierte Raven die Kellergewölbe ein weiteres Mal. Oftmals scheute das Böse das Licht des Tages, und nirgendwo war es davor besser geschützt als hier unter der Erde.
Aber so gründlich er auch suchte, er fand nichts. Resigniert machte er sich auf den Rückweg, als er kurz vor der Tür zum Vorratskeller plötzlich Schritte hinter sich hörte.
»Mrs. Baltimore«, stieß er erfreut hervor. »Ihnen ist nichts passiert, welch ein Glück. Wir haben uns bereits Sorgen um Sie gemacht. Wo haben Sie bloß gesteckt?«
»Ich war im Vorratskeller«, behauptete die Haushälterin. »Dann habe ich ein merkwürdiges Geräusch gehört und bin nachsehen gegangen, konnte jedoch nichts entdecken. Aber wieso haben Sie sich Sorgen gemacht?«
»Das erkläre ich Ihnen, wenn wir bei den anderen sind«, antwortete Raven. »Leider ist etwas Schreckliches geschehen. Kommen Sie!«
Bevor Raven hinter der Haushälterin in den Vorratsraum zurückkehrte, warf er noch einmal einen Blick über die Schulter zurück. Mrs. Baltimore war aus dem Gang gekommen, der zum Ölkeller führte. Einem Gang, den Raven vorher inspiziert hatte und von dem es keine Abzweigung gab!
Auch nach der Rückkehr in den Salon spielte Raven seine Rolle weiter und bemühte sich nach Kräften, sich nichts von dem schrecklichen Verdacht anmerken zu lassen, den er gegen die Haushälterin hegte. So schonend es ging, teilten Janice, Card und er ihr mit, was geschehen war und in welch ungeheurer Gefahr sie alle schwebten.
Auch Mrs. Baltimore erwies sich als eine hervorragende Schauspielerin - sofern sein Verdacht überhaupt zutraf. Sie zeigte sich zutiefst betroffen vom Tode Hillarys und der drei Leibwächter, doch sie weigerte sich strikt, die Existenz dämonischer Kräfte anzuerkennen. Erst als sie durch die Fenster einen Blick auf die den ganzen Hof mehr als mannshoch überwuchernden Pflanzen geworfen hatte, die auch immer noch die vier Toten festhielten, geriet ihre Überzeugung schließlich ins Wanken. Sie wirkte bis auf den Grund ihrer Seele erschüttert, ihr gesamtes Weltbild war in sich zusammengebrochen.
Raven nutzte die Gelegenheit, Janice unbemerkt etwas zuzuflüstern. »Wundere dich über nichts, was ich gleich sage«, raunte er ihr leise ins Ohr. »Ich habe einen Plan, und du musst mir dabei helfen. In ein paar Minuten werde ich den Raum verlassen. Ich vermute, dass sich auch Mrs. Baltimore kurz nach mir unter einem Vorwand zurückziehen wird. Du musst sie unbedingt eine Weile aufhalten, sagen wir für mindestens zehn Minuten. So lange darf sie auf keinen Fall allein sein, aber sie darf auch keinerlei Verdacht schöpfen. Folge ihr nicht und such auch keinesfalls nach mir. Es ist extrem wichtig, hörst du?«
Bevor Janice Gelegenheit hatte, etwas zu entgegnen oder ihm eine Frage zu stellen, fügte er so laut, dass alle es hören konnten, hinzu: »Aber da ist noch etwas. Unser Feind hat ein paar entscheidende Fehler begangen, die mir erst jetzt richtig bewusst geworden sind. Ich glaube, ich weiß nun, mit was für einer dämonischen Wesenheit wir es hier zu tun haben, und wenn ich Recht habe, dann weiß ich auch, wie man sie bekämpfen kann.«
»Was meinen Sie damit?«, erkundigte sich Card aufgeregt, doch Raven schüttelte nur den Kopf.
»Es ist noch zu früh, etwas darüber zu sagen. Ich muss erst einige Nachforschungen anstellen. In meinem Gepäck befinden sich einige uralte Aufzeichnungen, die sich auch mit der Geschichte dieses Klosters beschäftigen. Ich denke, ich werde etwa eine Stunde brauchen, um sie zu studieren. Wenn sich meine Vermutung bestätigen sollte, werden Sie alles erfahren. Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich will keine Zeit verlieren.«
Abrupt stand er auf und eilte aus dem Raum, ohne sich um die zahlreichen Fragen zu kümmern, die ihm nachgerufen wurden. In der Halle angekommen, wandte er sich jedoch nicht zur Treppe ins obere Stockwerk, sondern lief in einen Gang, von dem er wusste, dass dieser in den Seitenflügel führte, in dem sich auch die Werkstatt
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