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Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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lächelte verkrampft. Er hatte eigentlich nicht allein hier herausfahren wollen, aber jetzt war er plötzlich froh, dass keiner von seinen Kollegen hier war.
    Er nahm die Kamera von den Schultern, fuhr mit dem Ärmel über das Objektiv und blickte durch den Sucher. Der verkleinerte Blickwinkel der Kamera ließ die Landschaft noch düsterer erscheinen. Für einen Moment verschwand der Unterschied zwischen Meeresoberfläche und Himmel ganz, und Slade hatte den Eindruck, in eine umrisslose graue Masse zu blicken.
    Er nickte zufrieden. Genau das, was er brauchte. Sicherlich hatte die Insel schönere Bilder zu bieten, aber er war auf der Suche nach Stimmungen, nicht nach Postkartenromantik.
    Er drückte dreimal hintereinander auf den Auslöser, setzte die Kamera ab und trat ein paar Schritte zurück, bis die flache Schnauze des Jaguars im Bild war. Das feuchte, mit Millionen winziger runder Tröpfchen bedeckte Blech des Wagens bildete einen reizvollen Gegensatz zu der urtümlichen Stimmung. Er machte zwei weitere Aufnahmen, ging dann um den Wagen herum und schwenkte die Kamera, bis der Waldrand im Bild war.
    Irgendetwas bewegte sich zwischen den Stämmen. Slade ließ den Apparat sinken, fuhr sich mit dem Jackenärmel über die Augen und blinzelte neugierig zum Wald hinüber. Aber die Entfernung war zu groß, um mehr als den Eindruck einer Bewegung zu erkennen.
    Slade griff in die wasserdichte Umhängetasche, in der er seine Fotoutensilien aufbewahrte, nahm ein Fünfzehn-Zoll-Teleobjektiv heraus und schraubte es mit routinierten Bewegungen auf die Kamera.
    Als er diesmal durch den Sucher blickte, hatte er den Eindruck, nur noch wenige Yards vom Waldrand entfernt zu sein. Die feucht schimmernden Baumstämme schienen auf Armeslänge näher gerückt zu sein.
    Slade stieß ein erstauntes Keuchen aus, als die Gestalt im Bildausschnitt erschien.
    Es war ein Reiter. Aber der seltsamste Reiter, den der Fotoreporter je gesehen hatte.
    Seine Größe ließ sich schlecht abschätzen. Er hatte nichts, was als Größenvergleich dienen konnte. Trotzdem hatte Slade den Eindruck, dass sowohl der Reiter als auch sein Tier gigantisch waren.
    Der Mann trug einen weiten, wallenden Umhang, der seine Gestalt fast zur Gänze verdeckte. Auf seinem Kopf saß ein riesiger, von zwei spitzen, nach oben gebogenen Hörnern gekrönter Helm, der in einem sonderbar geformten Gesichtsschutz endete. Und die Gestalt war völlig schwarz.
    Slade versuchte verblüfft, den sonderbaren Eindruck in Worte zu kleiden. Es ging nicht. Der Reiter war nicht einfach schwarz - es war, als betrachte er einen Schatten, dem der dazugehörige Körper abhandengekommen war. Ein gigantischer, scherenschnittartiger Umriss, der sich gegen den Hintergrund des Waldes kaum abhob.
    Der Reiter bewegte sich. Sein Pferd stampfte unruhig auf dem Boden, und über den langen Umhang liefen Wellen und Zuckungen, als wäre das Kleidungsstück von eigenständigem Leben erfüllt.
    Slade hatte plötzlich das Gefühl, dass es besser wäre, wenn der Reiter ihn nicht bemerkte. Er setzte die Kamera ab, wandte sich ab und lief mit schnellen Schritten um den Jaguar herum.
    Als er die Kamera wieder ansetzte, hatte sich das Bild verändert. Der Reiter war mittlerweile vollends aus dem Wald herausgeritten. Slade konnte erkennen, dass das Pferd eigentlich kein Pferd war. Obwohl auch dieses Tier eigentlich nur aus schwarzen Schatten bestand, war der Unterschied doch deutlich.
    Der Schädel war dreieckig, eigentlich eher ein Drachenkopf als der Schädel eines Pferdes. Kleine böse Augen funkelten unter stacheligen Hornkämmen hervor, und das Gebiss in dem weiten, gierig aufgerissenen Maul hätte jeden Haifisch vor Neid erblassen lassen.
    Slades Finger tasteten nach dem Auslöser. Er war bis jetzt viel zu verblüfft gewesen, um auch nur daran zu denken, eine Aufnahme zu machen.
    Der Kopf des Reiters zuckte in einer blitzschnellen Bewegung herum, als die Kamera klickte. Der Blick der dunklen Augen schien sich direkt in Slades Seele zu bohren.
    Der Reporter fror plötzlich. Er versuchte die Kamera zu senken, um diesem grauenhaften, eisigen Blick auszuweichen, aber es ging nicht. Sein Körper war wie gelähmt.
    Der Reiter zwang sein Tier mit einer herrischen Bewegung herum und trabte langsam auf Slades Standort zu.
    »Aber das ist doch unmöglich«, flüsterte Slade. Über diese Entfernung konnte der Mann das leise Klicken der Kamera einfach nicht gehört haben!
    Slades Hände begannen zu zittern. Er versuchte,

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