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Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einen schmalen Briefumschlag zu Tage. »Ich habe den Brief hier. Auch die zweihundert Pfund. Ich glaube kaum, dass Sie deswegen Arger kriegen. Ich kenne den Besitzer der Autovermietung, ein netter alter Mann.« Er lächelte, legte den Umschlag vor sich auf den Tisch, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie sagen, Sie hätten den Wagen nicht wiedergefunden?«
    »Es verhält sich so«, bestätigte Raven. »Auch wenn es sich verrückt anhört.«
    Belders nickte. »Wir wissen, dass Sie den Wagen verlassen haben. Wir haben Ihre Spuren gesehen. Ziemlich leichtsinnig, nachts und allein in den Wald zu gehen.« Er beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf und starrte Raven durchdringend an. »Haben Sie schon einmal den Namen Tabett gehört? Andrew Tabett?«
    Raven schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Oder kennen Sie diesen Mann?« Belders zog ein zerknittertes Foto aus der Tasche und reichte es über den Tisch.
    Raven warf nur einen flüchtigen Blick auf die Aufnahme. Das Bild zeigte einen etwa vierzigjährigen, stoppelbärtigen Mann mit dunklen Haaren und kleinen, stechenden Augen.
    »Nie gesehen.«
    »Sie auch nicht, Miss Land?« Belders reichte das Foto an Janice weiter.
    »Nein. Warum?«
    »Sagt Ihnen der Name Frank Calamis etwas?«, bohrte Belders weiter.
    »Nein. Ich habe weder diesen noch den Namen Tabett vorher gehört«, erklärte Raven. »Und ich wüsste auch nicht, was wir mit diesen beiden Männern zu tun haben.«
    Belders steckte das Foto zurück, zog eine Packung Zigaretten aus der Tasche und bot Raven und Janice welche an.
    Beide lehnten ab.
    »Die Isle of Wight ist ein ziemlich ruhiger Ort«, begann Belders nach sekundenlangem Schweigen. »Wir haben zwar unsere Pappenheimer, aber bis auf ein paar kleine Diebstähle und Betrügereien ist es hier normalerweise recht friedlich. Oder war es.«
    »War?«, fragte Raven.
    Belders betrachtete scheinbar interessiert seine Fingernägel. »Sehen Sie, Mr. Raven, wir hatten in den letzten zwölf Jahren hier genau zwei Morde. Beide geschahen gestern Abend.«
    »Tabett und ...?«
    »Und Calamis, richtig. Oder jedenfalls fast richtig. Calamis wurde auf dem Meer ermordet, auf seiner Jacht, um genau zu sein. Aber es gibt da gewisse Parallelen. Und ich hatte gehofft, Sie könnten mir weiterhelfen.«
    »Ich?«, fragte Raven überrascht. »Wie kommen Sie ausgerechnet auf mich?«
    »Sehen Sie, Mr. Raven - die Männer wurden beide auf die gleiche grausame Weise umgebracht. Calamis draußen auf dem Kanal. Und Tabett hier. Genauer gesagt, in Ihrem Wagen. Zehn Minuten nachdem Sie das Fest verlassen hatten!«
    Die Felsen stürzten an dieser Stelle der Küste beinahe senkrecht ins Meer. Selbst an ruhigen Tagen bildete die Brandung hier hohe, schaumige Wellenkronen, und das unablässige Tosen und Donnern der Wellen war bis weit ins Innere der Insel zu hören. Bei gutem Wetter konnte man von dieser Stelle aus die französische Küste als dünnen schwarzen Strich am Horizont erkennen. Heute jedoch bedeckten schwere, treibende Regenwolken den Himmel. Das Meer war aufgewühlt und unruhig, eine graue, kochende Masse, die mit unablässiger Wut gegen die schwarzen Felsen anbrandete. Der Regen bildete einen grauen, treibenden Vorhang, der Himmel und Meer miteinander zu verbinden schien.
    Der Wagen stand dicht vor der Felskante. Seine Vorderräder waren vielleicht noch fünfzehn Zoll vom Abgrund entfernt, und die Scheibenwischer liefen trotz des ausgeschalteten Motors.
    Slade überprüfte ein letztes Mal seine Kamera, zog den Reißverschluss seiner gelben Öljacke zu und öffnete dann die Tür.
    Die Kälte fiel wie ein unsichtbares Raubtier mit Millionen kleiner, spitzer Zähne über ihn her, biss in seine Hände und sein Gesicht und ließ ihn schaudern. Er stieg ächzend aus dem Wagen, hängte sich die Kamera über die Schulter und knallte die Tür hinter sich zu. Das Geräusch ging im Heulen des Windes und dem unablässigen Donnern der Brandung tief unter ihm verloren.
    Er drehte sich einmal um seine Achse, blinzelte aus zusammengekniffenen Augen über die graue, regenverschleierte Landschaft und trat dann dicht an die Felskante heran. Für einen Augenblick wurde ihm schwindlig. Er trat einen halben Schritt zurück, hielt sich an der Karosserie des Wagens fest und atmete tief ein.
    Der Abgrund vor ihm war nicht sonderlich tief. Dreißig, vielleicht vierzig Fuß, aber der kochende Ozean unter ihm vermittelte den Eindruck, dass sich die gesamte Felskante bewegte.
    Slade

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