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Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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unsterblich nennt, ohne dass ihr wisst, worüber ihr sprecht. Aber dieser magische Schutz ist nun erloschen. Du hast den Bannspruch, der mich vor dem Tode beschützt, zerstört, Wilburn.«
    »Ich?«, keuchte Wilburn. »Aber ich habe nichts getan! Ich glaube nicht an Magie, und ich habe mich noch nie damit beschäftigt!«
    Merlin unterbrach ihn mit einer unwilligen Handbewegung, und die geistige Stimme schien plötzlich schärfer zu klingen, als der Magier fortfuhr. »Du wusstest nicht, was du tatest. Ein Mann kam zu dir und gab dir ein Buch, und du zitiertest einen Teil des Spruches, der allein in der Lage ist, mich zu erwecken. Doch nur einen Teil! Ich erwachte, aber ich erwachte als der, der ich wirklich bin - ein sterblicher Mensch, der dem Tod seit zehntausend Jahren ein Schnippchen geschlagen hat. Du musst das Buch finden und den magischen Spruch vollständig aufsagen, wenn du mich retten willst. Ich verfüge noch über einen Teil meiner Kraft, aber ich spüre bereits, wie sie versiegt. In wenigen Tagen wird es zu spät sein. Ich werde dann wirklich und endgültig sterben, Wilburn. Das allein wäre nicht schlimm, denn ich habe lange genug gelebt, und es gibt andere wie mich, die über euer Schicksal wachen werden. Doch die Beschwörungsformel, die du versehentlich zitiert hast, erweckte nur einen Teil meines Selbst zum Leben. Wenn ich sterbe, wird dieser Teil weiterexistieren, und unglaubliches Leid wird über euch und euer Land kommen.«
    »Ich ... verstehe nicht, was du meinst«, stotterte Wilburn.
    » Gut und Böse, Wilburn, leben dicht beieinander in jedem Menschen. Niemand ist absolut schlecht, ebenso wenig wie irgendein Mensch, der je geboren wurde, absolut gut ist. Auch ich bin nur ein Mensch, und deine Tat erweckte den dunklen Teil meines Selbst zum Leben. Wenn ich sterbe, wird dieser Teil meines Bewusstseins weiterexistieren. Ihr Menschen redet von mir als von Merlin, dem gütigen, weisen Magier, aber an meiner Stelle wird ein Dämon entstehen, ein Wesen von so abgrundtiefer Bosheit und Schlechtigkeit, dass es mich schaudert, daran zu denken. Du musst das Buch finden, Wilburn, und den Spruch beenden. Nur so kannst du das Leben Unzähliger retten. Und tu es schnell! Dir bleiben nur wenige Tage.«
    »Aber wie?«, keuchte Wilburn, als die Gestalt begann, sich aufzulösen. »Ich erinnere mich nicht mehr! Wie kann ich etwas finden, von dem ich nicht einmal weiß, wie es aussieht?«
    Die Gestalt war bereits halbwegs verschwunden, aber die geisterhafte Stimme wehte noch einmal zu Wilburn hinüber: » Warte! Ich helfe dir!«
    Noch einmal erschien die Szene vor Wilburns innerem Auge. Und plötzlich erinnerte er sich, als wäre es vor wenigen Augenblicken gewesen: Ein Mann war zu ihm gekommen, zu seiner Arbeitsstelle in der Bibliothek. Ja, jetzt erinnerte er sich genau. Er hatte ein Buch bei sich gehabt, einen uralten Band in einer unverständlichen Sprache, und Wilburn hatte, um eine Übersetzung gebeten, etwas daraus vorgelesen. Er sah sogar das Gesicht des Mannes vor sich, klar und in allen Einzelheiten.
    Aber seinen Namen ... Er erinnerte sich nicht an den Namen!
    Wilburn blickte sich verwirrt um. »Merlin?«, rief er. »Bist du noch da?«
    Aber das Zimmer war wieder leer. Das Licht war wieder normal geworden und die Schatten in den Ecken nichts als Schatten, als wäre alles, was er erlebt hatte, nichts als ein böser Traum gewesen.
    Was hatte Merlin gesagt?
    Du musst das Buch finden, Wilburn, und den Spruch beenden. Und tu es schnell! Dir bleiben nur wenige Tage ...
    Wilburn schauderte. Er hatte ein winziges Stück des Dämons, der in Merlins Geist lauerte, gesehen, als er in seine Augen geblickt hatte.
    Nur wenige Tage ...
    Er musste diesen Mann finden, ganz egal, wie!
    Raven stand mühsam auf, fuhr sich mit der Hand über die Augen und schüttelte den Kopf. Sein Schädel dröhnte noch immer von dem Schlag, den er eingesteckt hatte, und vor seinen Augen flimmerten bunte Kreise.
    »Das war nicht übel«, sagte er mit einem säuerlichen Grinsen.
    Janice zuckte die Achseln. »Wenn du meinst, großer Meister«, sagte sie spöttisch. Sie drehte sich einmal im Kreis, sah Raven dann kopfschüttelnd an und meinte: »Ich frage mich nur, was du sagst, wenn ausgerechnet jetzt ein Klient hereinkommt.«
    Sie hatten den Schreibtisch und die übrigen Möbelstücke beiseitegeschafft und Matratzen und Decken auf dem Fußboden ausgebreitet, um auf diese Weise Platz genug für die »Trainingsstunden« zu schaffen, auf denen

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