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Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nahm Raven den Atem und trieb ihn weiter zur Tür zurück. Auch die drei Gangster erwachten endlich aus ihrer Erstarrung und traten keuchend die Flucht an.
    Raven stieß entsetzt die Tür auf, taumelte in die weite, vom flackernden Widerschein der Flammen erhellte Halle hinaus und warf im Laufen einen Blick über die Schulter zurück.
    Aus der Bibliothek drang eine Welle erbarmungsloser Glut. Die Flammen krochen bereits über die Teppiche und leckten an den Bücherwänden empor, und selbst das ausgetrocknete Eichenholz des Türrahmens begann bereits zu schwelen.
    Raven taumelte weiter, riss die Haustür auf und sprang ins Freie.
    Die Straße war von zuckenden Blaulichtern erfüllt. Sechs, sieben Polizeiwagen standen in weitem Halbkreis um das Haus herum, und aus der Ferne näherte sich das Sirenengeheul weiterer Wagen. Raven riss instinktiv die Arme in die Höhe, als er sah, wie ein halbes Dutzend schwarz uniformierter Männer Pistolen und Gewehre auf ihn richteten.
    »Nicht schießen!«, rief er entsetzt. »Ich bin es - Raven!«
    Sekundenlang geschah nichts. Dann knackte irgendetwas, und Cards Stimme dröhnte, durch eine Lautsprecheranlage verstärkt, über die Straße. »Kommen Sie her, Raven! Aber schön langsam und mit erhobenen Händen!«
    Raven runzelte die Stirn, aber das Dutzend drohend auf ihn gerichteter Waffen und der entschlossene Ausdruck auf den Gesichtern der Polizisten überzeugten ihn davon, dass es besser war, sich nach Cards Anweisungen zu richten. Er nahm die Hände noch ein wenig höher und ging langsam auf den quergestellten Polizeiwagen zu, hinter dem Cards heller Trenchcoat sichtbar war.
    »Hierher!«, herrschte ihn Card an. »Und schön langsam!«
    Raven gehorchte schweigend.
    »Die Hände auf den Wagen!«, schnappte Card. »Und keine falsche Bewegung!«
    »Was soll das Ganze eigentlich?«, fragte Raven verwirrt. »Ich ...«
    »Sie werden jetzt still sein, Raven«, sagte Card hart. »Wo ist Wilburn? Und was sind das für Galgenvögel dort drüben?« Er wies mit dem Lauf seiner Pistole auf die drei Gangster, die dicht hinter Raven aus dem Haus getreten waren und das Polizeiaufgebot fassungslos anstarrten.
    »Wilburn ist noch im Haus«, antwortete Raven. »Aber er wird nicht mehr kommen. Er ist ...« Er zögerte, sah Card nachdenklich an und fuhr in verändertem Tonfall fort: »Er ist tot. Ich hoffe es jedenfalls. Für ihn.«
    Cards Kiefer spannten sich. Er blickte zum Haus, runzelte einen Moment die Stirn, als er das helle, flackernde Glühen hinter den geschlossenen Fenstern bemerkte, und wandte seine Aufmerksamkeit dann wieder seinem Gefangenen zu.
    »Tot?«, vergewisserte er sich.
    Raven nickte wortlos.
    »Und das Buch?«, fragte Card nach einiger Zeit. »Haben Sie es?«
    »Wir hatten es. Es existiert nicht mehr. Es ... starb zusammen mit Wilburn und Merlin.«
    »Starb?«, echote Card. »Wie meinen Sie das? Ein Buch kann nicht sterben.«
    »Vielleicht«, schränkte Raven ein. »Aber vielleicht war es auch eine letzte Sicherheit, die seine Schöpfer eingebaut haben und von der nicht einmal Merlin wusste. Und jetzt fragen Sie mich bitte nicht, wie ich das meine«, fügte er hastig hinzu, als er Cards verständnislosen Gesichtsausdruck bemerkte. »Ich verstehe es selbst nicht genau.«
    Er wandte sich um, lehnte sich gegen den Wagen und blickte lange und stumm zu Biggs' Haus hinüber. Das Glühen hinter den Fenstern hatte sich verstärkt, und hier und da waren bereits die ersten Flammen zu sehen.
    »Vielleicht«, sagte er leise und mehr zu sich selbst als zu Card, »will ich es gar nicht verstehen.«

 
Sechster Teil
DAS PHANTOM
DER U-BAHN

 
    D er Himmel war mit grauen Wolken verhangen. Es war nicht kalt, aber die Straßen glänzten vor Nässe, und die gurgelnden Ströme in den Rinnsteinen schwollen langsam, aber beharrlich an. Die Abflüsse hatten es längst aufgegeben, das unablässig vom Himmel nachstürzende Wasser aufnehmen zu wollen. London schien allmählich in einem grauen, nebligen Ozean zu versinken.
    Lady Cynthia Gifford schüttelte entschieden den Kopf und hob rasch die Hand, als ihre Tochter den Arm nach dem Türgriff ausstreckte und aussteigen wollte. »Kind«, sagte sie geduldig, »du kannst doch unmöglich dorthinaus gehen wollen.«
    Zwischen Hillarys hübschen blonden Brauen entstand für den Bruchteil einer Sekunde eine missbilligende Falte. Natürlich wusste sie, was sich für eine Tochter aus so gutem Hause wie dem ihrer Eltern gehörte, und natürlich wäre sie nie auf

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