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Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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haben in einer halben Stunde eine Verabredung zum Tee mit dem französischen Botschafter, wenn ich Sie daran erinnern darf.«
    Lady Cynthia nickte abwesend. George legte umständlich den Gang ein, sah in den Rückspiegel und fuhr los. Die U-Bahn-Station versank langsam hinter ihnen im Regen.
    »Coco ...«, murmelte Lady Cynthia noch einmal. »Können Sie sich einen jungen Mann vorstellen, der Coco heißt, George?«
    George nickte. »Ja, Mylady«, seufzte er. »Ich fürchte, das kann ich.«
    Der Strahl der Taschenlampe strich langsam über feucht glänzenden Stein und rostiges Metall, riss einen winzigen, kreisförmigen Ausschnitt blendender Helligkeit aus der Schwärze und verlor sich schließlich irgendwo in samtschwarzer Dunkelheit.
    »Sinnlos«, murmelte Stone. Seine Stimme erzeugte in der hohen, leeren Halle ein seltsam verzerrtes Echo. »Vollkommen sinnlos. Wir finden ihn nie.«
    Ein zweiter Lichtkreis erschien neben dem Schein seiner Lampe, wanderte wie ein tastender Finger über den Boden und strich für einen Moment über sein Gesicht, ehe er erlosch. Stone blinzelte.
    »Wir müssen weitersuchen«, sagte Hammersmith. Seine Stimme klang ebenso verzerrt wie Stones, aber es schien ein leiser Unterton von Verzweiflung darin mitzuschwingen. Vielleicht war es auch nur Erschöpfung.
    Sie waren jetzt seit fast vier Stunden hier unten, und die Dunkelheit und die klamme Kälte zehrten an ihren Kräften, sodass sie den Eindruck hatten, bereits seit Tagen durch die ewige Nacht tief unter den Straßen Londons zu kriechen.
    Stone hob den Kopf, blinzelte zu der unsichtbaren Decke über sich empor und unterdrückte ein Schaudern. Er hatte den Plan nicht genau genug im Kopf, um wirklich zu wissen, wie weit sie bisher in die Tiefe gestiegen waren. Aber es mussten zwanzig, dreißig Meter sein. Und Stone hatte das Gefühl, das Gewicht von Felsen und Erdreich körperlich über sich zu spüren.
    »Wir nehmen den Seitengang dort hinten«, drang Hammersmiths Stimme in seine Gedanken. »Irgendwo hier müssen sie sein. Ein kompletter Bautrupp kann doch schließlich nicht vom Erdboden verschwinden, zum Teufel noch mal!«
    »Vom Erdboden nicht, aber darunter«, knurrte Stone. »In diesem verdammten Rattenloch kann eine ganze Armee verschwinden, ohne dass du jemals eine Spur von ihnen findest.« Er hob seine Lampe, beleuchtete den Boden vor sich und fluchte.
    Natürlich hatte Hammersmith Recht - fünf Männer konnten nicht einfach verschwinden, ohne Spuren zu hinterlassen. Früher oder später würden sie darauf stoßen. Aber Stone hatte in den letzten Minuten immer mehr das Gefühl, ersticken zu müssen. Zum ersten Mal in seinem Leben spürte er, was Platzangst war.
    »Versuch noch mal, Kontakt mit den anderen aufzunehmen«, sagte er mit einer Kopfbewegung auf das Walkie-Talkie an Hammersmiths Gürtel. »Vielleicht haben sie etwas gefunden.«
    »Dann hätten sie sich gemeldet«, antwortete Hammersmith, griff aber trotzdem an den Gürtel und löste das Gerät aus der Halterung. Er drückte ein paarmal hintereinander den roten Rufknopf, schüttelte den Kopf und sah Stone an. »Geht nicht«, sagte er. »Wahrscheinlich zu viel Felsen um uns herum. Die Dinger sind schließlich nicht dazu gedacht, eine Expedition zum Mittelpunkt der Erde mitzumachen.«
    Er lachte leise, aber in Stones Ohren schienen die Worte einen seltsam hämischen, drohenden Unterton zu bekommen. Er arbeitete seit mehr als fünfzehn Jahren bei der Londoner Untergrundbahngesellschaft, aber er war noch nie so tief unten gewesen. Die Gänge, die sie in den letzten Stunden untersucht hatten, lagen tief unter dem Niveau der eigentlichen U-Bahn.
    Natürlich hatte er gewusst, dass es diese Ebenen gab - ein ganzes Labyrinth von Stollen und Gängen, zehn und mehr Meter unter dem Bereich, der für die Fahrgäste zugänglich war, aber bisher waren sie für ihn nicht mehr als ein abstrakter Begriff gewesen. Linien und Striche auf den großen Übersichtskarten an den Wänden seines Büros. Jetzt war er hier unten. Und jetzt hatte er Angst.
    »Gehen wir weiter«, sagte Hammersmith. Er schaltete seine Lampe wieder ein und ging, die rechte Hand sichernd gegen die Wand gelegt, vor Stone den Gang hinunter. Stone folgte ihm zögernd. Er wollte nicht tiefer in dieses künstliche Labyrinth eindringen, aber der Gedanke, allein zurückzubleiben, erschien ihm unerträglich.
    Sie erreichten eine Abzweigung und blieben stehen. Der hohe, halbrunde Hauptstollen verlief weiter geradeaus, aber nach

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