Raven - Schattenreiter (6 Romane)
antat.
Er drehte sich langsam um, ging zurück ins Wohnzimmer und steuerte die Bar an. Dabei fiel sein Blick zufällig auf den Zeremoniendolch des Schattenreiters.
Er erstarrte.
Die Waffe glühte in einem seltsamen kalten Licht. Ihre Umrisse schienen zu verschwimmen, faserten immer wieder auseinander und hielten scheinbar nur mit Mühe die Form. Gleichzeitig schien es, als würde das Licht im Raum schwächer, fast, als gäbe es da irgendwo eine bösartige, fremde Kraft, die die hellen Strahlen der Sonne nach außen drängte, um Platz für das höllische Leuchten der Waffe zu schaffen.
Jeffrey stöhnte. Er spürte, wie seine Knie zu zittern begannen und ihm kalter Schweiß auf die Stirn trat. Langsam, wie in einer Zeitlupenaufnahme, begann sich unter dem Dolch ein gewaltiger dunkler Umriss zu bilden.
Der Schattenreiter!
Jeffrey wich mit einem unterdrückten Aufschrei zurück, bis er gegen die Wand stieß. Sein Herz begann zu hämmern, und aus seiner Kehle drangen unartikulierte, gequälte Laute.
Der Reiter nahm endgültig Gestalt an. Er hatte die Kapuze zurückgeschlagen, sodass Jeffrey zum ersten Mal sein Gesicht sehen konnte. Es war eine teuflische, verzerrte Visage, in der kaum etwas Menschliches war. Der Mund war wie eine dünne, schwärende Narbe in der ledrigen Haut, die Nase bestand offensichtlich nur aus zwei ausgefransten Löchern, und die Augen waren tiefe, bodenlose Abgründe, in denen das Feuer der Hölle zu lodern schien.
»Was - willst du von mir?«, stöhnte Jeffrey.
»Mein Opfer.«
»Ich - ich habe noch Zeit«, ächzte Jeffrey. »Es sind noch zwei Tage.«
Der Dämon nickte. »Das stimmt. Ich habe das Opfer gesehen, das du für mich ausgesucht hast. Du hast einen guten Geschmack - sie gefällt mir.«
»Nein!« Jeffreys Stimme wurde zu einem entsetzten, kaum verständlichen Krächzen. »Nicht sie! Nicht Carol! Ich - ich suche ein neues Opfer. Ich habe ja noch Zeit, und ...«
»Schweig!«, donnerte der Schattenreiter. »Du hast sie ausgewählt, und ich will sie haben. Keine Andere!« Er brach ab, legte den Kopf in den Nacken und lachte dröhnend. »Aber ich will dich nicht drängen. Du hast noch Zeit - amüsier dich ruhig mit ihr, bevor du sie mir übergibst. An ihrem Körper liegt mir nichts. Aber versuche nicht, mich zu betrügen. Denke daran, was Paul geschehen ist. Sein Schicksal wird auch deines sein, wenn auch du versuchen solltest, mich zu betrügen.« Auf seinen Zügen erschien ein lauernder, nachdenklicher Ausdruck. »Es kommt jemand.«
»Carol! Ich ...«
»Nein, nicht Carol. Der Detektiv, den Paul Pendrose engagiert hatte. Du wirst ihn beruhigen, Jeffrey. Du wirst ihn überzeugen, dass dein Cousin nicht mehr normal war. Er weiß schon zu viel. Schick ihn fort!«
Die Gestalt verschwamm, löste sich auf. Gleichzeitig erlosch das unheimliche Leuchten des Dolches. Nichts deutete mehr auf die Anwesenheit des Unheimlichen hin.
Und trotzdem spürte Jeffrey seine Gegenwart mit dem gleichen geheimnisvollen Instinkt, mit dem ein Blinder spürt, dass er nicht allein im Zimmer ist.
Die Liftglocke riss ihn aus seinen Gedanken. Er eilte durch die Diele, löste mit einem Knopfdruck die Sperre, die verhindern sollte, dass ungebetene Gäste mit dem Aufzug bis ins Penthouse hinaufkamen, und wartete ungeduldig, bis die Kabine anhielt.
Ein hochgewachsener, schlanker Mann trat ihm entgegen.
»Mr. Candley?«
Jeffrey nickte. Er hatte Mühe, seine Erregung zu verbergen.
»Mein Name ist Raven«, stellte sich der Besucher vor. »Ich bin Privatdetektiv und ...«
Jeffrey unterbrach ihn mit einem unwilligen Kopfschütteln. »Ich weiß, Mr. Raven. Die Polizei war vor einer halben Stunde hier. Man hat mir von Ihnen erzählt. Was wollen Sie?«
Raven runzelte die Stirn. »Nun - ich dachte, Sie könnten mir vielleicht noch ein paar Informationen verschaffen. Sehen Sie, Ihr Cousin wurde ermordet und ...«
»Auch das weiß ich«, schnappte Jeffrey wütend. »Sagen Sie endlich, was Sie von mir wollen, und dann verschwinden Sie! Ich habe jetzt wirklich keine Lust, mich zu unterhalten!«
»Ihr Cousin war mein Klient«, sagte Raven kalt. »Und ich habe etwas dagegen, wenn man Leute umbringt, die mich engagieren, um sie zu beschützen.«
»Deswegen hat er sie angestellt?«, fragte Jeffrey. Er funkelte Raven wütend an. »Wenn das Ergebnis Ihrer Arbeit immer so aussieht, sollten Sie sich einen neuen Job suchen, Mr. Raven.«
»Es sieht nicht immer so aus«, zischte Raven, und Jeffrey konnte jetzt deutlich
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