Raven - Schattenreiter (6 Romane)
verletzen. Wir haben Blutspuren gefunden. In der Halle, auf der Treppe, in Pendroses Apartment - überall.«
»Die können doch genauso gut von einem der Opfer stammen.«
Card stand auf, trat ans Fenster und verschränkte die Arme hinter dem Rücken.
»Können sie nicht«, sagte er nach einiger Zeit. »Wir haben versucht, die Blutgruppe zu bestimmen.« Er drehte sich herum, seufzte und griff nach seiner Zigarettenschachtel. »Es ging nicht. Unser Labor läuft jetzt noch Amok. Aber das Blut stammt aus keiner der bekannten menschlichen Blutgruppen. Dabei ist es Menschenblut, daran besteht kein Zweifel.« Er ließ sein Feuerzeug aufschnappen, nahm einen gierigen Zug und starrte zu Boden. »Außerdem ist da noch die Waffe.«
»Das Schwert, mit dem Pendrose gekämpft hat?«
Card nickte. »Ja. Wir haben die Waffe analysiert - am Schaft fanden sich Metallsplitter, und dieses Zeug ...«
»Was ist damit?«
Auf Cards Gesicht erschien ein gequälter Ausdruck. »Im Prinzip das Gleiche wie mit dem Blut. Es lässt sich nicht einordnen. Es ist Metall, so viel hat unser Labor herausgefunden. Aber was für ein Metall, wissen sie nicht.«
»Aber das kann doch nicht so schwer sein ...«
»Augenscheinlich doch«, knurrte Card. »Verstehen Sie jetzt, warum ich Ihnen in dieser Sache jegliche Einmischung verbieten muss? Erstens sind vier Menschen getötet worden, und zweitens handelt es sich um eine so mysteriöse Sache, dass ich am liebsten selbst die Finger davon lassen würde. Das war auch der Grund, warum ich Sie habe rufen lassen. Ich möchte Sie bitten, diesen Fall nicht weiterzuverfolgen.«
»Bitten?«, wiederholte Raven verblüfft. »Sie - bitten mich?«
Card lächelte unsicher. »Hört sich komisch an, nicht. Aber ich bin immer dafür, zuerst den leichtesten Weg zu gehen. Wenn Sie vernünftig sind und sich raushalten, passiert Ihnen nichts. Wenn Sie mir in die Quere kommen, lasse ich Sie einsperren - so einfach ist das. Aber es wäre mir lieber, wenn wir uns gütlich einigen. Ich verspreche Ihnen, dass Sie der Erste sind, den ich anrufe, wenn ich den Mörder habe.«
Raven antwortete nicht sofort. Cards Worte klangen ehrlich, und er hatte keinen Grund, dem Inspektor nicht zu glauben.
»Was ist mit Candley?«, fragte er schließlich. »Vorausgesetzt, Pendrose hat die Wahrheit gesagt - jedenfalls in gewisser Hinsicht -, dann schwebt sein Cousin ebenfalls in Lebensgefahr.«
Card nickte. »Ich weiß. Aber wir werden uns um ihn kümmern. Also? Was ist nun? Spielen Sie mit?«
Raven zuckte mit den Schultern und stand auf. »Lassen Sie mir ein paar Stunden Zeit zum Überlegen«, bat er.
Cards Gesichtsausdruck verfinsterte sich. »Sie wollen also nicht«, sagte er leise. »Das ist schade. Sehr schade.«
»Ich habe nicht gesagt, dass ich mich einmischen will. Ich ...«
»Doch«, unterbrach ihn Card ruhig, »das haben Sie. Ich kenne Typen wie Sie, Raven. Sie geben nicht eher Ruhe, bis sie irgendetwas ausgeschnüffelt haben. Und es ist Ihnen ganz egal, wie viel Porzellan Sie bei Ihren Nachforschungen zerschlagen. Sie können gehen, Mr. Raven. Und beten Sie zu Gott, dass wir uns nicht noch einmal sehen. Ich glaube kaum, dass unsere Unterhaltung dann noch so angenehm für Sie verlaufen wird.«
Raven fuhr nicht sofort nach Hause. Er hatte Candleys Adresse auf dem Notizblock vor Card gelesen, und sein erster Gedanke war gewesen, sofort dorthin zu fahren. Aber er zweifelte nicht daran, dass Card jeden seiner Schritte überwachen ließ. Er hatte sich am vorangegangenen Abend noch ein wenig umgehört und einiges über den Inspektor in Erfahrung gebracht. Card war alles andere als ein gemütlicher Mensch, im Gegenteil. Seine Abteilung war die mit Abstand erfolgreichste im ganzen Yard, aber Card verschliss Mitarbeiter wie andere Socken, und die Essenz dessen, was Raven erfahren hatte, war schlicht und einfach die, dass der Inspektor ein Ekel war. Man hatte ihm noch nie eine Unkorrektheit nachweisen können, aber er zog unbarmherzig alle Register, wenn es darum ging, unliebsame Schnüffler auszuschalten - ganz egal, ob es sich nun um Privatdetektive, Reporter oder sonst wen handelte.
Raven musste also vorsichtig sein. Es war niemandem damit gedient, wenn er die nächsten Tage im Gefängnis verbrachte. Im Gegenteil - er musste unter allen Umständen beweglich bleiben.
Und er musste Candley beobachten. Im Gegensatz zu Card glaubte er nämlich die Geschichte, die Pendrose erzählt hatte. Natürlich fand er sich nicht mit der Existenz
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