Raven - Schattenreiter (6 Romane)
spüren, wie schwer es ihm fiel, sich zu beherrschen. »Und ich bin hier, weil ich seinen Mörder stellen will. Ich weiß, wer ihn umgebracht hat, und ich werde dafür sorgen, dass der Mord nicht ungesühnt bleibt.«
»So, Sie wissen, wer ihn umgebracht hat«, wiederholte Jeffrey höhnisch. »Warum sagen Sie es dann nicht der Polizei.«
»Das habe ich getan«, entgegnete Raven. »Aber die glauben nicht daran. Ich denke, es gibt nur zwei Menschen in London, die an den Schattenreiter glauben. Sie und mich.«
Jeffrey erbleichte. »Was - haben Sie gesagt?«
Raven grinste. »Ins Schwarze getroffen, denke ich. Sie wissen, wer Ihren Cousin auf dem Gewissen hat, nicht wahr? Und Sie haben Angst vor dem Schattenreiter, genau solche irrsinnige Angst wie Ihr Cousin.«
»Sie - Sie reden Blödsinn«, sagte Jeffrey mit schwankender Stimme. »Ich weiß nicht, was Paul Ihnen für Märchen erzählt hat ...«
»Die Wahrheit.«
»Wahrheit - Quatsch! Mein Cousin war nicht mehr ganz richtig im Kopf. Er hat den Leuten den haarsträubendsten Blödsinn erzählt. Schattenreiter! Glauben Sie wirklich an dieses Ammenmärchen?«
»Immerhin hat dieses Ammenmärchen vier Menschen umgebracht. Und es würde mich nicht wundern, wenn Sie der fünfte sind«, konterte Raven.
»Sie sind verrückt!«, schrie Jeffrey plötzlich. »Es gibt hier keine Gespenster! Und erst recht keine Schattenreiter oder wie immer Sie es nennen! Paul wurde Opfer eines ganz gewöhnlichen Mordes, und die Polizei wird den Täter über kurz oder lang fassen.«
»Sind Sie sicher?«, fragte Raven ruhig. »Oder sagen Sie das nur, um mich loszuwerden?« Er trat einen Schritt näher, sah Jeffrey nachdenklich in die Augen und fuhr fort: »Ich weiß, dass Sie Angst haben, Mr. Candley. Aber es gibt eine Möglichkeit, um den Schattenreiter zu besiegen.«
»Sie - Sie sind total übergeschnappt!«, kreischte Jeffrey. »Verschwinden Sie! Gehen Sie, bevor ich die Polizei rufe!«
»Mr. Candley!« Ravens Stimme nahm einen eindringlichen, fast flehenden Ton an. »Der Schattenreiter ist nicht unverwundbar. Ihr Cousin hat es geschafft, ihn zu verletzen. Er ist sterblich, genau wie Sie und ich. Wenn Sie mir vertrauen, wenn wir zusammenarbeiten, finden wir eine Möglichkeit. Es ist nicht nötig, dass Sie sterben.« Er brach ab, atmete tief ein und fügte etwas leiser hinzu: »Oder dass Sie zum Mörder werden.«
Jeffrey erstarrte. Was wusste dieser Mann noch? Was hatte Paul ihm noch alles erzählt? Für einen winzigen Augenblick spielte Jeffrey mit dem Gedanken, ihm alles anzuvertrauen, aber er wusste, dass das unmöglich war. Der Unheimliche war hier, stand vielleicht direkt hinter ihm. Er würde jedes Wort hören. Und beim geringsten Verdacht eines Verrats würde er ihn umbringen.
Genau wie er Paul umgebracht hatte.
»Bitte, Mr. Raven, lassen Sie mich zufrieden! Mein Cousin war nicht normal. Ich weiß nicht, was er Ihnen erzählt hat, aber er wurde ganz bestimmt nicht von einem Gespenst ermordet. Und ich glaube, es ist besser, wenn Sie die ganze Sache so schnell wie möglich vergessen und sich einem neuen Klienten zuwenden.« Er ging zur Garderobe hinüber und nahm sein Scheckbuch aus der Jacke. »Paul hatte Ihnen fünftausend Pfund versprochen, wie mir die Polizei mitteilte. Ich zahle Ihnen fünfhundert für Ihre Auslagen. Sind Sie einverstanden?«
Raven sah ihn kalt an. »Ich bin nicht käuflich, Mr. Candley.« Er nahm den Scheck, faltete ihn achtlos zusammen und riss ihn entzwei. »Es geht mir bestimmt nicht ums Geld. Aber Ihr Cousin wurde ermordet, und ich möchte verhindern, dass noch mehr Unheil geschieht.«
Jeffrey sah den Detektiv abfällig an. »Eine große Geste, Mr. Raven. Ich bezweifle nur, dass Sie sie sich leisten können.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe es versucht. Und jetzt gehen Sie bitte!«
Der Gong neben der Fahrstuhltür schlug an. Carol, die mit dem Essen zurückkam.
»Ich erwarte noch Besuch, Mr. Raven«, sagte Jeffrey kalt. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich jetzt allein lassen würden.« Er wies mit einer einladenden Geste auf die offen stehende Liftkabine.
Raven zögerte noch einen Moment, aber schließlich schien er einzusehen, dass er bei Candley nicht weiterkam.
»Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen um mich zu machen«, sagte Jeffrey zum Abschied. »Ich bin kein solcher Narr wie Paul. Mir wird nichts geschehen.«
Er wartete ungeduldig, bis die Türhälften zuglitten, ehe er aufatmend zurücktrat und die Augen schloss. Das war
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