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Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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er, wie sich das zusammengerostete Eisen löste und wenige Millimeter nachgab. Dann saß es mit einem Ruck wieder fest.
    McCennah sah gehetzt nach hinten. Hinter dem Zug war nichts als absolute, nachtschwarze Finsternis, aber es konnte nicht mehr lange dauern, bis der Lichtkreis des Scheinwerfers dort auftauchte, der nächste Zug, voll besetzt mit Menschen, die nichts ahnend einer Katastrophe entgegenfuhren. Für einen Moment glaubte er bereits das Kreischen der Bremsen zu hören, das helle, splitternde Bersten von Metall und Glas, die Schreie der Sterbenden und Verwundeten ...
    McCennah schüttelte die Vision mit aller Macht ab und legte sich noch einmal gegen die Brechstange. Das Metall vibrierte in seinen Fingern. Er spannte die Muskeln, drückte und schob mit aller Kraft - und fiel vorüber, als der Mechanismus mit hörbarem Knirschen nachgab. Er versuchte, den Sturz abzufangen, fiel ungeschickt auf Hände und Knie und schlug unsanft mit der Stirn auf. Er blieb bei Bewusstsein, war aber einen Moment lang benommen.
    Das Letzte, was er wahrnahm, als er wieder klar sehen konnte, war der Scheinwerfer des U-Bahn-Zuges, der plötzlich auf ihn zuzuspringen schien, und das Gefühl, von einer ungeheuren Riesenfaust gepackt und zur Seite geschleudert zu werden. Dann nichts mehr ...
    »Das hier ist es«, sagte Card. »Die einzige Spur, die wir haben.« Seine Stimme klang ruhig, beinahe zu ruhig, wie die Stimme eines Mannes, der sich mit aller Macht bemüht, gefasst zu wirken. Aber Raven spürte die Nervosität des Inspektors trotzdem.
    Und bei dem, was Card ihm soeben gezeigt hatte, war es auch nur zu verständlich, dass er nervös war.
    Das Tor bestand aus zollstarken, geschmiedeten Eisenstangen, die mit zusätzlichen Querholmen verstärkt waren. Eine Konstruktion, dachte Raven, die einer mittelgroßen Festung alle Ehre gemacht hätte. Und trotzdem hatte sich irgendjemand den Spaß erlaubt, sie wie Strohhalme auseinanderzubiegen und herauszureißen.
    Er trat vor, legte die Hand auf das Tor und fuhr prüfend mit den Fingerspitzen über das schwarz gestrichene Eisen, als müsse er sich davon überzeugen, dass das, was seine Augen zu sehen glaubten, auch tatsächlich wahr war.
    »Und im Haus sind keine Spuren?«, fragte er.
    »Nein«, antwortete Sir Anthony an Cards Stelle. »Die Polizei hat alles abgesucht. Wer immer das war, hat sich nur hier ausgelassen. Im Haus selbst war er sehr vorsichtig. Wahrscheinlich wollte er niemanden wecken.«
    Raven schüttelte den Kopf, sah den grauhaarigen Politiker einen Moment lang durchdringend an und wandte sich dann an Card. »Können wir ... offen reden?«
    Card zögerte einen Herzschlag lang, bevor er nickte. Sie waren allein auf der Straße. Lady Cynthia und das Rudel Polizeibeamter, die Card begleitet hatten, waren im Haus zurückgeblieben. »Ja«, sagte er. »Ich habe Sir Anthony alles erzählt. Ich weiß nicht, ob er mir glaubt, aber ...«
    »Es spielt überhaupt keine Rolle, ob ich Ihnen glaube oder nicht, Inspektor«, unterbrach ihn Gifford ruhig. »Alles, was ich will, ist meine Tochter zurückhaben. Unversehrt und gesund.«
    »Inspektor Card hat Ihnen erzählt, dass wir schon mehrmals mit ... sagen wir, außergewöhnlichen Dingen konfrontiert worden sind?«, überzeugte sich Raven.
    Gifford nickte. Der Ausdruck auf seinem Gesicht wurde noch ein wenig besorgter. »Ja«, sagte er knapp.
    »Gut«, murmelte Raven, »vielleicht macht das die Sache ein wenig leichter.«
    Gifford lachte humorlos. »Sie glauben, dass hier Gespenster im Spiel waren?«
    Raven zuckte gleichmütig die Achseln. »Was ich glaube, tut nichts zur Sache, Sir Anthony«, antwortete er. »Ich sehe nur etwas, was ich mir mit normalen Maßstäben nicht mehr erklären kann. Das da«, fügte er mit einer Kopfbewegung auf das zerfetzte Tor hinzu, »war kein Mensch. Nicht einmal ein Elefant hätte die nötige Kraft dazu. Und wenn ich mir jetzt überlege, was Sie mir heute Nacht erzählt haben ...« Er brach ab, schwieg einen Moment und wandte sich dann wieder an Card. »Was ist mit den anderen? Es sind noch mehr Menschen verschwunden?«
    Card nickte betrübt. »Zwölf«, sagte er. »Mindestens. Wir konnten noch nicht überall nachfragen, aber von einem Dutzend wissen wir definitiv, dass sie weg sind. Allerdings ist das, was hier passiert ist, die einzige konkrete Spur. Bei den anderen scheint es eher so gewesen zu sein, dass sie einfach aufgestanden und weggegangen sind. Aber es gibt einen Zusammenhang, da bin ich ganz

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