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Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Klippen. Es wäre leicht. So leicht. Ein Schritt, ein kurzer Sturz, vielleicht ein stechender Schmerz, und alles hätte ein Ende.
    Aber auch das war ein Ausweg, der ihm verwehrt war.
    Er hob das Schwert, fing die letzten Strahlen der untergehenden Sonne auf dem blitzenden Metall ein und studierte die verschlungenen Gravuren auf der fast meterlangen Klinge. Es schimmerte immer noch makellos und rein in seinen Händen. Nicht der winzigste Fleck war auf dem gehärteten Stahl zurückgeblieben.
    Mordreds Blut hatte keine Spuren hinterlassen.
    Er dachte wieder daran, was Merlin gesagt hatte, als Artus es vor so vielen Sommern aus seinem steinernen Grab gezogen hatte:
    »In den richtigen Händen vollbringt es Wunder. Aber in den falschen wird es zum Fluch.«
    Waren ihre Hände so falsch gewesen? Hatte ihr großes Ziel nicht dem Willen der Götter entsprochen? Er spürte das sanfte, beruhigende Pulsieren der Waffe in seinen Händen: der Pulsschlag der ungeheuren magischen Kräfte, die in dem schlanken Stück Stahl eingeschlossen waren.
    »... in den falschen wird es zum Fluch ...«, murmelte er halblaut.
    Er hatte gemordet. Er hatte Excalibur dazu missbraucht, einen Menschen zu ermorden. Ein Kampf war es nur in den Augen der anderen gewesen. Auch mit einer normalen Waffe hätte Mordred kaum eine Chance gegen ihn gehabt, aber Excalibur hatte diesen Kampf zu einer Hinrichtung werden lassen. Lancelot hatte das Schwert nicht einmal zu führen brauchen. Die magische Waffe schien den Mörder ihres Herrn erkannt zu haben, war in Lancelots Händen zu einem lebendigen, flirrenden Schatten geworden, der sich so schnell bewegte, dass seine Augen nur noch einen verschwommenen Umriss sahen.
    Die Macht, die in dieser Waffe schlummerte, war Lancelot nur zu deutlich bewusst geworden. Mit Excalibur war er unbesiegbar. Und einen kleinen Moment lang hatte er sich vorgestellt, dass es vielleicht möglich war, Artus' großen Traum doch noch zu verwirklichen. Fast wäre er der Versuchung erlegen.
    Aber die Tafelrunde war zerbrochen, ihre Ritter tot oder in alle Winde zerstreut. Jetzt gab es nur noch ihn. Lancelot.
    Mit einer entschlossenen Bewegung holte er aus und schleuderte Excalibur von sich.
    Das Schwert beschrieb einen weiten, glitzernden Bogen, drehte sich wie unter einer inneren Kraft schneller und immer schneller, bis es einem flammenden Feuerrad zu gleichen schien.
    Dann tauchte es in den Wellen unter.
    Er blieb noch lange so stehen, starrte auf die Stelle, an der Excalibur verschwunden war, und dachte nach. Er fühlte sich wie von einer schweren, drückenden Last befreit. Er hatte Artus auf dem Totenbett versprechen müssen, die Waffe im Meer zu versenken. Es war sein letztes Versprechen gewesen, die letzte Bindung zur Tafelrunde und ihrem legendären König. Jetzt war er frei.
    Er straffte die Schultern, drehte sich um und pfiff seinem Pferd. Britannien war groß. Es würde lange dauern, ehe das Reich ganz in Barbarei und Chaos versank.
    Bis dahin gab es genug Arbeit für einen Helden ...
    Noch lange, nachdem der Ritter seinen Platz auf dem Gipfel des Kreidefelsens verlassen hatte, glomm ein geheimnisvolles Feuer durch die Brandung. Die Menschen, die in dieser Gegend lebten, fürchteten es. Sie mieden die Stelle, und auch, als das Licht verloschen war, erzählten sie mit gesenkter Stimme und hinter vorgehaltener Hand davon.
    Irgendwann geriet es in Vergessenheit. Lange, endlos lange wusste niemand, wo Excalibur zu suchen war. Fast sechzig Generationen lang.
    Mehr als 1500 Jahre vergingen ...
    Das dumpfe Brummen des Außenbordmotors ging im Brüllen der Brandung beinahe unter. Die See war relativ ruhig an diesem Tag, aber in der kleinen Bucht fing sich die Strömung wie in einem Flaschenhals. Selbst an Tagen wie diesem, wenn die Nordsee wie eine flache, spiegelnde Ebene vor der Küste lag, brachen sich die Wellen mit ungestümer Gewalt an den Klippen.
    Lancelot hatte Mühe, das Boot gegen die Gewalt der Strömung auf Kurs zu halten. Vom Ufer bis zur Schaluppe seines Vaters waren es keine neunhundert Fuß, aber Lance brauchte regelmäßig mehr als eine Viertelstunde, um die geringe Distanz zu überbrücken. Hinzu kam, dass die Bucht mit Riffen gespickt war wie der Rachen eines Haifisches mit Zähnen.
    Selbst dort, wo das Wasser einigermaßen ruhig zu sein schien, musste er mit voller Konzentration fahren, um nicht auf eine der gefährlichen, manchmal nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche verborgenen Klippen aufzulaufen. Wenn das

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