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Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Boot hier draußen leckschlug oder kenterte, war das so gut wie ein Todesurteil. Selbst ein ausgezeichneter Schwimmer hätte sich gegen die reißenden Unterströmungen nur wenige Augenblicke halten können.
    Eine plötzliche Windbö erfasste das winzige Boot, drängte es vom Kurs ab und brachte es in gefährliche Nähe eines Riffs, das schwarz glänzend und drohend aus der schaumigen Wasseroberfläche emporragte. Lance fluchte unterdrückt, riss mit aller Kraft am Ruder und drehte den Motor erbarmungslos auf. Das Boot machte einen Satz, kränkte zur anderen Seite hinüber und kam schließlich frei.
    Trotz der Kälte war Lance schweißgebadet, als er das Motorboot neben die algenverkrustete Bordwand der Schaluppe lenkte und nach dem Tau griff, das ihm einer der Matrosen zuwarf. Er kletterte an Bord, nickte dem Mann dankbar zu und überließ es ihm und seinen Kollegen, das Beiboot an Deck zu hieven und zu vertäuen.
    Hier oben auf dem Deck wehte ein eisiger, durchdringender Wind. Lance schauderte, als er daran dachte, dass er die gleiche Fahrt am selben Abend noch einmal unternehmen musste. Selbst am Tage war es schon ein Abenteuer, über die Bucht zu fahren. Nach Dunkelwerden konnte es zu einem Spiel auf Leben und Tod werden.
    Doch er hatte keine Wahl. Sein Vater mochte großzügig sein, aber bei seiner Arbeit duldete er keinen Widerspruch.
    Lance warf einen flüchtigen Blick ins Ruderhaus und ging dann unter Deck. Sein Vater war in seiner Kabine und arbeitete. Er sah kaum auf, als Lance den kleinen, mit Bücherregalen und Papieren vollgestopften Raum betrat.
    »Na«, brummte er, »wie war die Fahrt?«
    Lancelot grinste humorlos und ließ sich auf einen der niedrigen, unbequemen Stühle fallen, die im Halbkreis um den überdimensionalen Schreibtisch aufgereiht waren. »Stürmisch«, sagte er nach einer Weile.
    Professor Jacob Biggs sah kurz von seinen Papieren auf. Er war Mitte sechzig, aber die Jahre schienen spurlos an ihm vorübergegangen zu sein. Wären die winzigen, im schwachen Licht der Kabine kaum sichtbaren Fältchen um seine Augen und das graue Haar nicht gewesen, hätte man ihn für vierzig halten können.
    Und er sah ganz und gar nicht so aus, wie man sich im Allgemeinen einen würdigen Professor für Archäologie und Geschichte vorstellen mochte - im Gegenteil, Biggs machte einen sportlichen, durchtrainierten Eindruck, und in seinen Augen glomm ein jugendliches Feuer.
    »Hast du das Geld?«, fragte er.
    Lancelot griff wortlos in seine Jacke und förderte einen dickleibigen Briefumschlag zutage. »Alles da. 2500 Pfund. Alles, was noch auf dem Konto war. Du musst mit London Kontakt aufnehmen und Nachschub ordern.« Er grinste flüchtig.
    Biggs steckte den Briefumschlag in die Hosentasche, ohne auf die Bemerkung seines Sohnes einzugehen. Er beugte sich wieder über seine Karte, fügte mit präzisen Bewegungen ein paar Punkte und Striche zu dem scheinbar sinnlosen Durcheinander aus Linien, Kreuzen und geheimnisvollen Zeichen und sah schließlich triumphierend auf. »Ich glaube, wir sind jetzt fast am Ziel«, sagte er.
    Lancelot beugte sich gelangweilt über den Tisch. Die polierte Ebenholzplatte brach unter dem Gewicht der Bücher beinahe zusammen. Für Lance bedeuteten all diese Zeichen nicht mehr als die Hieroglyphen in einer ägyptischen Pyramide. Aber er wusste, dass er wenigstens Interesse heucheln musste, wenn er seinen Vater nicht kränken wollte.
    »Hier.« Biggs deutete mit der Spitze seines Federhalters auf einen der wenigen Flecke der Karte, die noch nicht mit Zeichen und Linien übersät waren. »Sharkland steigt heute Nachmittag hier ab. Wenn wir etwas Glück haben, hat er Erfolg.«
    Er wartete, dass sein Sohn etwas sagte, und stand schließlich enttäuscht auf.
    »Du solltest dich umziehen«, sagte er. »Du bist nass bis auf die Haut.« Er griff in die Hosentasche und gab Lance den Umschlag mit dem Geld zurück. »Tu mir einen Gefallen und zahl anschließend die Leute aus. Sie warten schon seit gestern auf ihren Lohn.«
    Lance ergriff den Umschlag, machte aber keine Anstalten, ihn einzustecken oder aufzustehen. Auf seinem Gesicht erschien ein verlegener Ausdruck.
    »Ist noch etwas?«, fragte Biggs.
    »Nun ...«, druckste Lance herum. »Ich ...«
    »Red nicht um den heißen Brei herum! Du weißt, dass ich so etwas nicht leiden kann. Was ist los mit dir?«
    »Ich - brauche Geld«, platzte Lance schließlich heraus. »Ich würde dich nicht darum fragen, aber - ich brauche es ziemlich

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