Raven - Schattenreiter (6 Romane)
Pergament auf einen Hinweis auf Excalibur gestoßen. Es muss ungeheuer mühsam gewesen sein, den genauen Ort nach so langer Zeit noch zu ermitteln, aber er hat es letztlich wohl geschafft. Echt oder nicht, er hat dieses Ding vor ein paar Tagen an genau der Stelle aus dem Meer gefischt, an der Excalibur damals versenkt worden sein soll.« Card zuckte nervös mit den Schultern und betrachtete die Waffe mit unverhohlenem Abscheu. »Natürlich werden wir das Ding im Labor untersuchen lassen, aber ...« Er zögerte, griff nach dem Schwert und begann das Plastik abzustreifen. »Hier«, sagte er, »nehmen Sie!«
Raven griff zögernd nach dem Heft.
Ein seltsames, kribbelndes Gefühl machte sich in seinen Fingern breit, als er das kühle Metall berührte.
»Sie spüren es auch, nicht?«, fragte Card leise.
Raven nickte verblüfft. Das Gefühl war ... Es war unmöglich, es in Worte oder auch nur in Gedanken zu kleiden. Äußerlich schien es sich um ein ganz normales Schwert zu handeln, aber Raven wusste einfach, dass es mehr war. Auf irgendeine seltsame, unbegreifliche Art schien Excalibur zu leben. Raven glaubte, ein dumpfes Wispern und Raunen hinter seiner Stirn wahrzunehmen, undeutliche Stimmen, die in einer uralten Sprache redeten.
»Und das ist noch nicht alles«, sagte Card dumpf. Er nahm Raven die Klinge aus der Hand und bewegte sich quer durch den Raum zum Kamin hinüber. Vor dem erloschenen Feuer lag eine zerbrochene Marmorstatue. Raven hatte sie bereits beim Eintreten bemerkt, aber er war der Meinung gewesen, dass sie während des Kampfes beschädigt worden war.
»Sehen Sie genau hin«, sagte Card.
Und Raven sah.
Card führte das Schwert mit der Linken. Raven war sicher, dass sich der Inspektor nicht sonderlich anstrengte - im Gegenteil. Der Schlag war behutsam, fast sanft, so wie bei einem Golfspieler, der einen Ball über die letzten Zentimeter ins Loch befördern will.
Und trotzdem glitt die Klinge so mühelos durch den Marmor, wie ein Messer durch aufgeweichte Butter schneidet ...
Raven keuchte.
»Aber das ist ...«
»Unmöglich«, bestätigte Card. »Sagen Sie es ruhig. Ich glaube es auch nicht, obwohl ich es sehe. Ich habe es auch nicht geglaubt, als Biggs es mir demonstriert hat.«
»Aber das würde bedeuten«, sagte Raven ungläubig, »dass das wirklich ...«
»Excalibur ist?« Card lächelte flüchtig. »Verstehen Sie jetzt, warum ich Sie mitten in der Nacht gerufen habe? Ich musste einfach mit jemandem reden, der dasselbe erlebt hat wie ich. Sehen Sie, Raven, für meine Vorgesetzten ist der Fall völlig klar. Wir haben bereits Haftbefehl gegen Thompson und seine Spießgesellen erlassen, und in ein paar Tagen legen wir alles zu den Akten. Aber Sie und ich, wir wissen, dass es nicht so einfach ist.«
Raven nickte nachdenklich. Die Artussage mit all ihren Verflechtungen, ihren dunklen Weissagungen und Prophezeiungen fiel ihm ein. Und wenn sich ein Teil der Prophezeiungen Merlins bewahrheitet hatte, gab es keinen Grund, warum nicht auch der Rest eintreten sollte. Plötzlich verstand er Cards Besorgnis.
»Kann ich mit Professor Biggs sprechen?«
»Sie müssen sogar. Was glauben Sie, weshalb ich Sie gerufen habe?«
»Hm?«
»Nun, ich habe Biggs natürlich klargemacht, dass ihm niemand seine Geschichte glauben wird. Oder fast niemand. Ich habe ihm von Ihnen erzählt. Er besteht darauf, Sie zu sehen.«
»Mich?«, fragte Raven erstaunt. »Weshalb gerade mich?«
»Weil Sie der Einzige sind, der ihm vielleicht glaubt«, antwortete Card. »Und weil er sich um seinen Sohn sorgt. Er ist oben. Der Arzt hat ihm eine Beruhigungsspritze gegeben, aber ich glaube, wir können einen Augenblick zu ihm.«
Er verpackte Excalibur sorgfältig wieder in der Plastikhülle und legte es fast ehrfurchtsvoll auf den Tisch zurück.
Raven war froh, als sie das Zimmer verließen. Irgendetwas Seltsames, Drohendes schien von der schimmernden Klinge auszugehen ...
Biggs senior lag mit offenen Augen auf seinem Bett, als sie das Schlafzimmer betraten. Er drehte müde den Kopf, sah Card an und versuchte sich aufzurichten.
»Strengen Sie sich nicht an, Professor«, bat Card mit gesenkter Stimme. Er deutete auf Raven. »Das ist Mr. Raven. Der Detektiv, von dem ich Ihnen erzählt habe.«
Die Andeutung eines Lächelns huschte über Biggs eingefallene Züge. »Gut, dass Sie gekommen sind«, sagte er. Seine Stimme war so leise, dass Raven Mühe hatte, die Worte zu verstehen.
»Wenn ich Ihnen helfen kann ...«
Biggs nickte
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