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Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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andere, Furcht einflößende Wesen diesen Planeten beherrscht hatten.
    Er spürte unbewusst, dass kein lebender Mensch das Recht hatte, die Worte zu hören, dass er an etwas rührte, das seit Jahrtausenden tot und verboten war und das kein Mensch wieder zum Leben erwecken durfte, ohne das Grauen der Vergangenheit erneut heraufzubeschwören.
    Er stöhnte. Jemand berührte ihn am Arm und redete beruhigend auf ihn ein, aber die Worte waren bedeutungslos gegen das Wispern in seinem Kopf. Eine Zeit lang war da eine sanfte, schaukelnde Bewegung, als man sein Bett aus dem OP in ein abgedunkeltes Krankenzimmer schob, dann kehrte wieder Ruhe ein.
    Nur in seinem Kopf blieben die raunenden, wispernden Stimmen. Allmählich gewannen sie an Substanz, formten sich zu einem fremdartigen, auf- und abschwellenden Rhythmus, der irgendwie dunkel und falsch und abstoßend und zugleich faszinierend und hypnotisch wirkte. Er versuchte, sich dagegen zu wehren, aber seine Bemühungen schienen den Einfluss der Stimmen eher noch zu verstärken.
    Langsam formte sich in seinem Bewusstsein ein Name.
    Lancelot.
    Sein Name.
    Aber nicht nur sein Name. Es hatte schon einmal jemanden namens Lancelot gegeben. Und es war nicht nur ein Name. Es war ein Ruf, ein Schrei, eine Verlockung.
    Ein Befehl.
    Er öffnete die Augen. Die Zimmerdecke erstreckte sich weiß und makellos über ihm, aber noch während er hinsah, begann sie sich mit tanzenden, wirbelnden Schatten zu überziehen. Schatten, die sich zu einem hypnotischen Wirbel formten, der seinen eigenen Willen unterdrückte und diesen so mühelos davonwirbelte, wie ein Orkan ein abgestorbenes Blatt vor sich hertrieb.
    Lancelot.
    Er war Lancelot Biggs, aber er war auch jener andere, dunkle Lance - Lance du Lac, der treue Diener seines Herrn. So treu, dass er seinem Herrn den Untergang gebracht hatte.
    Er richtete sich auf. Die Bewegung fiel ihm seltsam leicht, als führe eine unsichtbare, unerschöpfliche Kraft seine Glieder. Über und neben seinem Bett waren Dutzende von komplizierten Apparaten und Instrumenten angebracht, die das winzige Zimmer mit summendem, klickendem und piepsendem Leben erfüllten.
    Er brauchte sie nicht.
    Er tastete mit gefühllosen Fingern nach den Nadeln, die in seinen Venen steckten. Einer der Apparate begann wild und alarmierend zu pfeifen. Lancelots Faust schoss vor und zertrümmerte ihn zu einem Haufen wirrer Kabel und zerbrochenen Metalls.
    Mit einem entschlossenen Ruck sprang er aus dem Bett. Blut und eine gelbe, zähe Flüssigkeit tropfen aus den abgerissenen Schläuchen, die seine Arme und Beine mit den Maschinen verbunden hatten.
    Aber auch das störte ihn nicht mehr.
    Er ging zur Tür, öffnete sie spaltbreit und spähte auf den Korridor hinaus. Die Notbeleuchtung brannte und verbreitete schummerige, asymmetrische Helligkeit. Von irgendwoher drangen Stimmen und gedämpftes Lachen zu ihm. Aber der Gang war leer.
    Lancelot nickte zufrieden und huschte lautlos auf den Flur hinaus.
    Steve Craddock blätterte gelangweilt in einer drei Wochen alten Illustrierten und sah zum wahrscheinlich hundertsten Mal in dieser Nacht auf die Uhr. Der Raum war dunkel bis auf den gelben, scharf abgezirkelten Lichtkreis der Leselampe. Durch die geschlossene Tür drangen manchmal Schritte oder Wortfetzen, und das altersschwache Transistorradio auf seinem Tisch bemühte sich vergeblich, die Langeweile zu vertreiben.
    Craddock hasste den Nachtdienst.
    Natürlich konnte man ein Gebäude wie Scotland Yard nicht einfach nach acht Stunden schließen und auf den nächsten Arbeitstag warten, aber Craddock begriff einfach nicht, warum selbst der Asservatenraum vierundzwanzig Stunden am Tag besetzt sein musste. Die langen, muffig riechenden Holzregale in seinem Rücken schienen ihn mit ihrer stummen Anwesenheit zu verhöhnen, ihm klarmachen zu wollen, wie nutzlos er doch geworden war.
    In der ersten Zeit hatte er sich die Stunden damit vertrieben, durch die Gänge zu humpeln und sich die einzelnen Stücke zu betrachten, sich auszumalen, welche Geschichten sich hinter diesen stummen Zeugen verbergen mochten. Aber auch das war irgendwann langweilig geworden.
    Dabei konnte er eigentlich von Glück sagen, dass er diesen Job bekommen hatte. Craddock war früher im aktiven Polizeidienst gewesen, ein Beruf, der vielleicht nicht viel einbrachte und in dem er kaum Aussichten auf Karriere hatte, der ihm aber Freude bereitete.
    Bis zu seinem Unfall. Normalerweise wäre er nachher pensioniert worden -

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