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Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schlich geduckt durch den düsteren Vorraum und nahm die Treppe in Angriff. Sie war alt, ausgetreten und knarrte unter seinem Gewicht. Aber das würde dem Alten kaum auffallen. Er würde das Geräusch in seinem Zimmer oben kaum hören. Und wenn doch, würde er höchstens annehmen, dass die Pflegerin schon zurück war.
    Der Killer tastete nach dem Fünfundvierziger unter seiner Achselhöhle. Die fünftausend, die Thompson ihm für diesen Job zahlte, waren leicht verdientes Geld. Der Alte war praktisch wehrlos, es gab keine Zeugen, keine Spuren, die die Polizei zurückverfolgen konnte - ein Kinderspiel. Trotzdem zögerte Garet, als er vor der Schlafzimmertür stand. Er hatte schon mehr als ein Dutzend Menschen auf dem Gewissen, aber einen alten, wehrlosen Mann in seinem Bett zu erschießen, war etwas anderes.
    Aber immerhin waren da fünftausend Pfund, die ihm Thompson versprochen hatte. Kein übles Honorar für eine Viertelstunde Arbeit. Aber Thompson stand das Wasser auch bis zum Hals. Wenn der Alte ihn bei einer Gegenüberstellung identifizierte, verbrachte er wahrscheinlich den Rest seines Lebens hinter Gittern.
    Garet drückte die Klinke herunter und huschte lautlos ins Zimmer. Biggs lag in einem überdimensionalen Himmelbett und schien zu schlafen. Inmitten der weißen, schwellenden Kissen und dem sauber gebügelten Laken wirkte er mehr tot als lebendig; ein alter, verbrauchter Mann mit totenblasser Haut und eingefallenen Gesichtszügen. Seine Brust bewegte sich so schwach, dass Garet einen Moment lang stehen blieb und auf seine Atemzüge lauschte.
    Plötzlich bewegte sich Biggs unruhig hin und her, stöhnte und hob im Schlaf die Hand.
    Garet zog den Hahn des Fünfundvierzigers zurück. Das Geräusch schien wie ein Peitschenschlag durch die Stille des Zimmers zu brechen. Aber er zögerte abzudrücken. Er war eigentlich nie sentimental gewesen, aber es ging ihm einfach gegen den Strich, einen Schlafenden zu erschießen. Er trat neben das Bett, legte Biggs die Hand auf die Schulter und rüttelte ihn.
    Der Professor öffnete die Augen. Im ersten Moment schien er nicht zu wissen, was vorging. Dann entdeckte er die Waffe in Garets Faust. Seine Augen weiteten sich entsetzt.
    »Was - was wollen Sie?«, fragte er mit zitternder Stimme.
    »Thompson schickt mich«, sagte Garet. Er hob die Waffe und richtete sie auf Biggs Kopf. »Tut mir ja leid, Alterchen. Aber Mr. Thompson kann es leider nicht riskieren, deine Aussage gegen sich zu haben. Ich hoffe, du siehst das ein.«
    Ein berstender Schlag schien den Raum in seinen Grundfesten zu erschüttern. Garet wirbelte herum und sah, wie die massive Eichentür von einer ungeheuren Gewalt aus dem Rahmen gerissen wurde und in einem Hagel von Holzsplittern und Kalk nach innen flog.
    Unter der Tür erschien eine grauenhafte Erscheinung.
    Garet schrie gellend auf, wich vom Bett des Professors zurück und stolperte auf das Fenster zu.
    Die Gestalt folgte ihm. Die Klinge in ihrer Hand funkelte, als wäre das Licht von tausend Blitzen darin eingefangen. Ein hoher, singender Ton lag plötzlich in der Luft.
    Biggs richtete sich entsetzt in seinem Bett auf. Sein Blick schien sich am Gesicht des Unheimlichen festzusaugen.
    »Lance ...«, stöhnte er. »Lancelot ... Nicht ... du ... du darfst es nicht ...«
    Lancelot schien zu zögern. Das Schwert in seiner Hand zitterte unmerklich, und seine Bewegungen verloren etwas von ihrer Zielbewusstheit.
    »Bitte, Lance«, flehte Biggs. »Wirf das Schwert fort! Du - du bringst nur Unglück über dich und andere. Lance!«
    Aber die unheimliche Gewalt, die Lance in ihrem Bann hielt, war stärker. Er sah seinen Vater an, und so etwas wie ein unendlich trauriges Lächeln erschien für einen Herzschlag auf seinem Gesicht. Dann drehte er sich um und ging langsam auf Garet zu. Excaliburs Singen verstärkte sich, wurde zu einem hohen, schmerzhaften Brüllen, das die Fensterscheiben und die Gläser auf dem Tisch zum Klirren brachte.
    Biggs stemmte sich unter Aufbietung aller Kraft hoch und stand auf. Seine Knie zitterten, und die Beine schienen das Gewicht des Körpers kaum noch tragen zu können. Aber er zwang sich rücksichtslos weiter, taumelte auf seinen Sohn zu und krallte sich an dessen Arm fest.
    »Lance ...«, flehte er. »Tu es nicht!«
    Garet begriff seine Chance. Er duckte sich, riss den Revolver hoch und drückte zweimal hintereinander ab.
    Aber Lancelots Reaktionen waren viel zu schnell, als dass ein normaler Sterblicher es mit ihm aufnehmen

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