Raven - Schattenreiter (6 Romane)
konnte. Er tauchte blitzschnell zur Seite weg, schleuderte seinen Vater mit einer ungeheuer kraftvollen Bewegung aufs Bett und stieß gleichzeitig mit der Rechten zu. Excalibur schnitt einen flirrenden Halbmond durch die Luft.
Garet taumelte zurück. Der Revolver polterte zu Boden, und auf Garets Gesicht erschien ein überraschter, ungläubiger Ausdruck, während er die Hände um den Hals verkrampfte. Zwischen seinen Fingern sickerte dunkelrotes Blut hervor. Langsam, mit fast bedächtigen Bewegungen, brach der Killer in die Knie.
Er war tot, noch bevor er auf dem Boden aufschlug.
Lancelot drehte sich herum und ging mit raschen Schritten zum Bett hinüber. Sein Vater lag in seltsam verrenkter Haltung auf den weißen Laken. Er hatte die Augen weit geöffnet, aber der Blick schien durch Lancelot hindurch auf irgendetwas Unfassliches, Grauenvolles gerichtet zu sein.
»Lance ...«, stöhnte er. »Du darfst Excalibur nicht ... nicht missbrauchen. Es wird dich vernichten. Dich und ... viele andere.« Er hustete qualvoll, schloss die Augen und tastete nach seiner Brust. Auf der rechten Schulter seines Pyjamas breitete sich langsam ein dunkler, rot glänzender Fleck aus. Einer der beiden Schüsse Garets musste ihn im Hinstürzen getroffen haben.
Lancelot richtete sich auf. Sein Gesicht war so unbewegt wie eine aus Stein gemeißelte Büste. Aber in seinen Augen flammte ein unstillbares Feuer.
Die Haustür stand seltsamerweise sperrangelweit offen, als Raven Professor Biggs' Haus erreichte. Er klopfte, wartete einen Augenblick und drückte anschließend den Daumen auf den Klingelknopf.
»Sie wollen zu Professor Biggs?«, sagte eine Frauenstimme hinter ihm.
Raven drehte sich um und erblickte eine junge, vielleicht zwanzigjährige Frau, die ihn fragend ansah. Sie trug eine weiße Schwesternhaube, und unter ihrem halb geöffneten Mantel konnte er die weiße Bluse einer Schwesterntracht erkennen.
»Eigentlich«, sagte er, »suche ich Mr. Card. Inspektor Card, um genau zu sein. Man sagte mir, dass er hier ist.«
Die Schwester lächelte und schob sich an ihm vorbei ins Haus. Raven folgte ihr.
»Sie meinen diesen kleinen, dicken Mann von Scotland Yard«, vermutete sie.
»Ja, die Beschreibung könnte passen. Er ist fast ständig schlecht gelaunt.«
»Das muss er sein. Aber ich fürchte, ich muss Sie enttäuschen, Mister ...«
»Raven.«
»Raven?« Die Schwester runzelte die Stirn. »Der Name passt nicht zu Ihnen, finde ich.«
Raven grinste. »Mir gefällt er. Card ist nicht hier?«
»Nicht mehr«, korrigierte ihn die Pflegerin. »Er war hier, zusammen mit einer Menge anderer Polizisten. Aber Sie sind vor ein paar Minuten weggefahren. Kurz bevor Sie kamen. Sie haben den armen Professor ganz aufgeregt.«
»Wie geht es ihm?«, erkundigte sich Raven.
»Dem Professor?« Die Schwester streifte ihren Mantel ab und warf ihn achtlos über einen Stuhl. Raven registrierte anerkennend, dass sie eine ausgezeichnete Figur hatte, die durch das knapp sitzende Schwesternkostüm noch betont wurde. »Er hat einen Schock, aber er wird sich in ein paar Tagen erholen, hoffe ich. Er scheint sehr kräftig zu sein. Wollen Sie ihn sprechen?«
»Wenn das möglich ist.«
»Ich werde nachsehen, ob er wach ist.« Sie drückte Raven ihren Einkaufskorb in die Hand und verschwand mit trippelnden Schritten nach oben.
Augenblicke später erscholl vom oberen Ende der Treppe ein markerschütternder Schrei.
Raven fuhr herum, ließ den Korb fallen und rannte, immer drei Stufen auf einmal nehmend, ins Obergeschoss. Die Schwester stand vor der offenen Schlafzimmertür des Professors. Sie hatte die Hände vor den Mund geschlagen, und ihre Augen waren in namenlosem Entsetzen auf irgendetwas innerhalb des Zimmers gerichtet.
Raven sprang mit einem Satz an ihr vorbei in den Raum, riss im Fallen seine Pistole aus der Jackentasche und kam mit einer perfekten Judo-Rolle wieder auf die Füße.
Aber es gab im Zimmer nichts, auf das er hätte schießen können.
Der Raum war vollkommen verwüstet. Die schwere, fast zwei Meter hohe Eichentür schien von einer unglaublichen Gewalt aus den Angeln gerissen und quer durch das Zimmer geschleudert worden zu sein. Auf ihrem Weg hatte sie Stühle und Tisch umgerissen und zertrümmert und sich schließlich wie ein Geschoss in einen niedrigen Eichenschrank gebohrt, der unter der Wucht des Aufpralles auseinandergebrochen war. Das Fenster war zertrümmert, überall lagen Glasscherben und Splitter herum, und in der Wand neben
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