Raven (Shadow Force) (German Edition)
Lianne.
„Doch. Sie kommen freiwillig her, um dich zu retten. Zorans Freunde können es kaum erwarten, dieses letzte Schauspiel zu bewundern. Die Wetteinsätze waren noch nie so hoch, wie ich hörte.“
„Wetteinsätze?“ Langsam dämmerte ihr, was hier vor sich ging.
„Die verwöhnte Elite braucht besondere Darbietungen.“ Die Frau zuckte mit den Schultern. „Bärenkämpfe, Wettläufe von Ratten oder Vollkontakt-Kämpfe sind ihnen mittlerweile zu unspektakulär. Zoran weiß genau, was sie wollen. Und er gibt es ihnen.“
„Brot und Spiele?“
„Eher Beluga Kaviar, Kobe-Rind und erlesene, weiße Alba-Trüffel. Dazu literweise Armand de Brignac Champagner und natürlich sehr viel Wodka.“
Lianne blickte sich um. Überall hingen Kostüme und Perücken. Ein unangenehmer Geruch von Mottenkugeln, Moder und Staub schlug ihr entgegen. Grob wurde sie auf einen abgewetzten Stuhl gesetzt, der vor einem Schminktisch mit großem Spiegel stand. Stählerne, kalte Handschellen schlossen sich eng um ihre Fuß- und Handgelenke. Nur nicht durchdrehen. Ruhe bewahren, auch wenn das schwerfiel. Sie würde sich wohl oder übel temporär fügen müssen, bis sie vielleicht irgendeine Chance zur Flucht bekommen würde. Jedenfalls würde sie nicht kampflos zusehen, wie Frank und Raven für sie in den Tod gingen. Niemals!
*
Wie nicht anders zu vermuten gewesen, wurden sie bereits erwartet, denn Balakov hielt für den Anfang und aus seiner Sicht alle Trümpfe in seinen Händen. Zwei dunkle Autos hatten Raven und Frank bis zu ihrem abseits gelegenen Ziel eskortiert und keinen Überraschungsmoment zugelassen. Balakov, flankiert von mehreren finsteren Typen, hatte sie bereits am Eingang eines von außen verfallenen Theaters erwartet. Seine Miene hatte deutliche Genugtuung und Siegesgewissheit gespiegelt. Nur wenige Worte waren zwischen ihnen gefallen. Danach waren sein Freund und er zu allem Unglück getrennt worden. Wahrscheinlich wollte Balakov durch diese Maßnahme sicherstellen, dass sie keine gemeinsamen Pläne schmiedeten. Er musste davon ausgehen, dass Frank und Raven sich nicht einfach fügen würden. Dazu wusste er über ihre besonderen Kräfte und Fähigkeiten Bescheid. Auf diese mussten beide verzichten, solange sie Lianne in Gefahr wähnten. Aber das würde hoffentlich nicht so bleiben. Sorgen machte er sich wegen Frank. Balakov schien noch eine besondere Rechnung mit ihm offen zu haben. Worte und Mimik hatten Bände gesprochen. Balakov war in jedem Fall ein nachtragender Typ mit sadistischen Neigungen. Eine gefährliche Mischung.
Raven lag es fern, die Flinte ins Korn zu werfen, auch wenn die Lage aktuell brenzlig war. Schwierige Situationen hatte es in seiner annähernd dreißigjährigen Lebenszeit zuhauf gegeben. Er war sozusagen prädestiniert dafür, Schwierigkeiten im Umkreis von vielen Meilen zielsicher zu finden. Früher war es einfacher gewesen. Er hatte sich keinem Menschen verbunden gefühlt und seinem eigenen Leben schon gar nicht. Lange Jahre hatte er sogar gehofft, den Tod zu finden und von seinem unseligen Dasein erlöst zu werden. In ihm hatten Kälte und Dunkelheit geherrscht. Erst Frank und das Team hatten diesen Lebensverdruss ins Wanken gebracht, aber allein Lianne war es gelungen, die Leere in ihm zu füllen und seinen Blick zu reinigen, für die Welt zu öffnen. Raven fluchte leise und blickte zur niedrigen Decke empor. Was Lianne wohl gerade durchmachte? Selbst er konnte sich nicht erinnern, eine ähnlich bedrohlich skurrile Situation erlebt zu haben. Balakovs Männer hatten Raven gezwungen, das alberne Kostüm eines römischen Gladiators anzuziehen. Dazu gehörten ein silberner Helm, Beinschienen, ein Schild und ein Gürtel aus Silber, der seinen Lendenschurz hielt. Sicher würde ihm später noch ein Kurzschwert übereignet werden. Zwei halb nackte, ausgesprochen hübsche Frauen hatten seinen Körper mit Öl eingerieben und mit Goldstaub überzogen. Er hatte diese Prozedur mit zusammengebissenen Zähnen über sich ergehen lassen. Immer wieder hatten die Weiber gekichert und ihn unverhohlen lüstern von oben bis unten betrachtet. Als sie endlich gingen, warfen sie ihm Kusshände zu und wünschten ihm Glück. Ob die wussten , für wen sie arbeiteten? Es wurde ruhig. Ihm war, als würde er in eine andere Welt eintauchen. Eine Welt, die schon im ersten Jahrhundert vor Christi Geburt existiert hatte . Damals sorgte die Beliebtheit von grausamen Gladiatorenkämpfen beim römischen Volk dafür ,
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