Raven (Shadow Force) (German Edition)
sich?“, fasste Raven besorgt nach.
„In einem der Besprechungszimmer in der Vierten. Bist du das, Colin? Warum fragst du mich das alles?“ Die Frau schien sichtlich irritiert und argwöhnisch.
„Nein, hier ist nicht Colin. Die City Hall muss sofort evakuiert werden. Auf Parkdeck drei befinden sich Bomben! Hier geht gleich alles hoch.“
„Soll das ein Scherz sein?“
„Das ist todernst! Warnen Sie den Minister!“
In diesem Moment explodierte ein Sprengsatz mit lautem Getöse und ein unwirkliches Zittern und Wanken lief durchs Gebäude. Raven strauchelte, ließ das Funkgerät fallen und rannte los. Wenigstens würden sie ihm nun glauben. Staub erschwerte ihm die Sicht. Erste Betonstücke und Steine fielen von der Decke. Er musste schnellstmöglich weg von den Parkdecks und in die City Hall gelangen, um Lianne zu finden, Franks kleine Schwester. Und das , bevor er selbst unter den Trümmern gefangen war. Wenn der nächste Sprengsatz zündete, während er hier unten war, würde er lebendig begraben werden. Er mobilisierte alle Energien, die ihm zur Verfügung standen, packte den bewusstlosen Wachmann unter den Achseln und schleifte ihn mit sich, bis sie aus der Gefahrenzone waren. Geschafft. Jetzt hieß es, auf schnellstem Weg in die City Hall zu kommen. Er bahnte sich seinen Weg vorbei an Trümmern und durch den Strom der vielen Menschen, die kopflos schreiend und weinend aus dem Gebäude flohen. Einige waren verletzt. Panik und Angst lag en in der Luft, die ein heilloses Durcheinander formten. Rauch und Staub bissen in seinen Augen und erschwerten die Orientierung. Egal. Weiter. Er durfte nicht versagen und sein Versprechen brechen.
*
Der Boden schwankte und das ganze Gebäude schien in Bewegung zu geraten. Lianne hörte sich selbst noch aufkeuchen und schon warf sie eine gewaltige Druckwelle wie eine leichte Spielzeugpuppe auf den erbebenden Boden. Tausende Glassplitter der geborstenen Fenster regneten auf ihren Körper herab . Es war, als würde sich der Höllenschlund auftun und Feuer und Asche speien. Verzweifelt versuchte sie , ihren Körper zu schützen und rang um Atem. Die Luft war zum Schneiden und voller Staub. Bombe. Ein Attentat. Diese Gedanken durchfuhren sie, dann setzten die Schmerzen ein. Schmerzen und Angst. Würde sie heute sterben und Frank und ihren geliebten Eltern folgen? Würde die City Hall in sich zusammenstürzen wie damals die Twin Towers in New York? Die plötzliche Stille nach dem Grollen war beängstigend. Sie kämpfte sich unter dem umgefallenen Schreibtisch hervor, an dem sie kurz zuvor mit Minister Hague gesessen hatte, wischte den hellen Staub aus ihrem Gesicht und hustete. Sehen konnte sie nichts, aber sie schmeckte Blut und ihre Ohren dröhnten. Langsam sackte ihr schmerzender Körper wieder auf den Boden zurück und lähmender Schwindel erfasste sie. Die Beine fühlte sie kaum, sie waren wie taub. In ihrem Nacken schienen Messer zu stecken, die sich bei jeder Bewegung tiefer bohrten. Aus eigener Kraft würde sie diesem Inferno nicht entkommen können, das war gewiss . Ihre innere Stimme hatte sie warnen wollen, doch sie hatte nicht auf sie gehört, wie schon so oft in ihrem Leben. Tausend Gedanken schwirrten durch ihren Kopf, während sie hilflos ausharren musste. Irgendwann vernahm sie Sirenen und etwas später ein lautes Stimmenwirrwarr. Es roch verbrannt. Sie musste hier raus, doch ihre Stimme war ein heiseres Röcheln und sie konnte nicht auf sich aufmerksam machen. Sie lag in einem Chaos aus zerstörten Möbeln, Glas und Steinen. Zitternd rollte sie sich zusammen und ihre Gedanken wanderten wie automatisch zu Frank und ihren Eltern. Ihr Vater, ein Amerikaner, war am 17. Mai 1987 bei einem irakischen Raketenangriff auf die Fregatte USS Stark mit sechsunddreißig weiteren Soldaten ums Leben gekommen. Die Männer waren im militärischen Einsatz, um die irakischen Angriffe auf internationale Tankerschiffe zu unterbinden. Liannes britische Mutter Helen, eine Krankenschwester aus Leidenschaft, war dann im August 2008 an Leukämie erkrankt und wenige Monate später verstorben. Zurück waren Lianne und ihr fünf Jahre älterer Bruder Frank geblieben, zu dem sie eine enge Bindung hatte und mit dem sie sich auch eine kleine, aber feine Zweizimmerwohnung in London teilte. Er war nicht oft zu Hause. Frank arbeitete als Agent für den MI6 und war zuletzt an einem verdeckten Einsatz britischer und amerikanischer Agenten beteiligt gewesen, die die alliierten Truppen in
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