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Raven (Shadow Force) (German Edition)

Raven (Shadow Force) (German Edition)

Titel: Raven (Shadow Force) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Mertz
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er über dem tiefen Abgrund wie ein Hochseilartist, mit ihr auf dem Arm, als hätte sie kein Gewicht. Nur gab es hier weder ein Seil noch ein rettendes Netz, das sie im Falle eines Sturzes auffangen würde. Wenn er erneut abrutschte, waren sie verloren.
    „Schließ die Augen, wenn du nicht schwindelfrei bist“, zischte er ihr zu. „Und halte dich weiterhin gut an mir fest.“
    „Ist gut.“ Lianne gehorchte und klammerte sich so fest an ihn, dass ihre Muskeln schmerzten.
    Obwohl er sie immer noch trug, bewegte er sich geschmeidig und kraftvoll, machte einige weite und halsbrecherische Sprünge. An anderer Stelle hangelte er sich wie ein Bergsteiger oder Freeclimber weiter. Da war eine unglaubliche Energie um ihn herum, die sie körperlich fühlte. Wärmend und wie ein schützender Kokon aus Licht. Beinahe meinte sie, ein leises Summen und hellblaues Licht wahrzunehmen, das alle anderen Geräusche und Farben zu schlucken schien. Lianne presste die Augen zusammen und betete. Der Rauch machte das Atmen schwer und immer wieder musste sie husten. Sie fühlte sein Muskelspiel, seine Anstrengung, den Schweiß auf seiner Haut. Minuten erschienen wie Stunden, während um sie herum tödliches Chaos herrschte. An einer besonders schwierigen Stelle hielt er an.
    „Du musst jetzt auf meinen Rücken klettern. Ich brauche beide Arme“, erklärte er ihr schnell. „Schaffst du es, dein Gewicht allein zu halten?“
    „Ja.“ Mit etwas Glück, setzte sie in Gedanken nach. Ganz viel Glück.
    „Dann los, wir haben keine Zeit.“
    „Okay.“ Sie öffnete ihre Augen und er half ihr auf seinen Rücken. Wie ein kleines Äffchen klammerte sie sich an ihn. Hoffentlich erwürgte sie ihn nicht, die Angst ließ ihre Muskeln verkrampfen. Sie atmete tief ein und aus, um ruhiger zu werden und ihn nicht zu belasten. Sie musste sich seinen Bewegungen anpassen und sich so leicht wie möglich machen. Eins mit ihm werden. Dann hatten sie vielleicht eine Chance.
    Augenblicklich hangelte er sich weiter über den klaffenden Abgrund. Die Zeit schien stillzustehen. Oder war es ihr Herz? Meter um Meter zog er sich und Lianne vorwärts. Die Balken unter seinen Fingern ächzten. Noch ein Stück. Sie verlagerte vorsichtig ihr Gewicht, als seine rechte Hand kurz ins Leere griff. Er schaffte es, wieder Halt zu finden. Das enorme Muskelspiel seines Körpers, der mit dem ihren verbunden schien, zeugte von der Anstrengung, die diese Leistung kostete. Hoffentlich hielt er durch. Noch einen Meter, dann klaffte eine große Lücke in der Brüstung.
    „Jetzt geht´s abwärts. Bereit?“
    So gefragt, nein.
    Denn jetzt kam der entscheidende Moment, der über Tod und Leben richten würde. Wer war jemals bereit für so eine Situation? Es gab kein Zurück und nur noch den Weg nach unten. Durch den dichten Rauch.
    „Ja.“ Alles in ihr spannte sich an.
    Er stieß sich von der Wand ab und sprang in die Tiefe. Sie glaubte zu stürzen, dann spürte sie die Erschütterung, die beim Aufprall durch seinen Körper lief und auf sie übergriff. Eine wilde Achterbahnfahrt war Peanuts dagegen. Hier mussten enorme Kräfte wirken. Ihr eigener Körper bebte gewaltig nach. Endlich waren sie in einem der unteren Stockwerke angekommen. Lebendig dazu. Halleluja! Sie hätte den Boden küssen mögen. Er setzte sie ab.
    „Hier haben wir wieder Zugang zum Treppenhaus.“ Schwer atmend stand er vor ihr und schien selbst am Ende seiner Kraft zu sein. Kein Wunder, er hatte Unglaubliches geleistet.
    „Das war … Wahnsinn.“ Sie lockerte ihren verkrampften Körper und klappte den Mund wieder zu.
    Er grinste und die Zähne schimmerten unnatürlich weiß aus seinem verrußten Gesicht. „Noch ein paar Meter, dann sind wi r hier raus.“
    Sie nickte und wischte sich über das verschwitzte Gesicht. Diese paar Meter würden sie gemeinsam schaffen. Und dann hatte sie mindestens tausend Fragen an ihn. In diesem Moment bemerkte sie eine Bewegung und sah mit Entsetzen, wie sich ein riesiges Mauerteil im oberen Stockwerk löste und auf ihren Retter zustürzte. Er selbst schien es nicht zu registrieren. Er hatte die Arme auf den gebeugten Oberschenkeln abgestützt, vielleicht um besser Luft zu bekommen. Er wähnte sich wahrscheinlich bereits in Sicherheit oder die Anstrengung hatte ihn ausgelaugt und seine Aufmerksamkeit getrübt. Holy moly! Das Ding würde ihn erschlagen, wenn sie nicht eingriff. Keine Zeit ihn zu warnen. Sie stieß sich vom Boden ab, warf sich mit aller Kraft gegen seinen Körper

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