Raven (Shadow Force) (German Edition)
langsam kam er zu sich und bemerkte, dass er ihr Handgelenk in einem Klammergriff zusammenpresste. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt und sie versuchte, ihren Arm aus diesem Griff zu lösen.
Er lag in seinem Bett und sie direkt neben ihm. Er hatte wieder von seiner Gefangenschaft und der Folter geträumt. Aber warum lag sie neben ihm? Blitzartig ließ er sie los und fiel schwer atmend zurück in das Kissen. Scham überkam ihn. Er war eine tickende Zeitbombe und hatte sich nicht im Griff. Das war unverzeihlich.
„Es tut mir leid, ich wollte das nicht“, brachte er irgendwann entschuldigend hervor und versuchte, die Bilder und Erinnerungen zu verscheuchen.
Es gelang ihm nicht, sie aus seinem Schädel zu bekommen, im Gegenteil. Sie wurden intensiver und es kamen immer mehr dazu. Erst gerade hatte er sich an den Zwischenfall im Labor erinnert, an die seltsame Flüssigkeit, den Kampf mit den Soldaten. Jetzt konnte er die Zusammenhänge erkennen. Es war der Tag seiner Flucht gewesen. Der Tag, als er zum ersten Mal nach scheinbar endloser Zeit die Sonne wiedergesehen hatte. Der Tag, als er sich in Bulgarien wiedergefunden hatte und durch Felder und Wälder geflohen war, verfolgt von seinen Folterern. Tagelang hatte er sich versteckt, Essen und Kleidung aus Bauernhäuser n gestohlen und aus Bächen getrunken. Annähernd zehn Tage hatte er danach benötigt, sich nach England durchzuschlagen. Er hatte gewusst, dass der MI6 jegliche Verbindung zu ihm verleugnen würde, sollte er sich an die hiesige Polizei wenden. Das war das ungeschriebene Gesetz der Shadow Force. Daher hatte er entschieden, die Sache in die eigene Hand zu nehmen und unauffällig zu agieren. Ob das Fieber mit der merkwürdigen Amnesie zu tun hatte? Oder mit dem Quälgeist? Am liebsten hätte er seine SIG-Sauer P226 genommen und sich die quälenden Träume und bohrenden Erinnerungen aus dem Kopf geschossen. Dann würde endlich Ruhe sein. Er hasste sich für diese Schwäche, die sie ungewollt miterlebt hatte.
Lianne rieb sich das Handgelenk und nickte bedächtig. „Ist schon gut, ich weiß, dass es keine böse Absicht war. Du hast schlecht geträumt.“
Das war die Untertreibung des Jahrhunderts, er war auf einem Horrortrip gewesen. Und nichts war gut. Er hatte ihr wehgetan.
„Ja.“
„Willst du mir davon erzählen?“ Sie lag dicht bei ihm und ihre langen, natürlich schwarzen Wimpern betonten ihre ungeschminkten Augen. „Manchmal hilft es, wenn man über schlechte Träume spricht.“
Nein, er wollte nicht davon erzählen. Er wollte sie lieber küssen und an sich ziehen, diesen sinnlichen , blonden Engel, der auch noch Mitgefühl mit ihm hatte und ihn beinahe zärtlich betrachtete. Dann würde er alles vergessen können. Die Träume, die Schmerzen und die Angst einflößenden Schatten. Lianne trug eines seiner weißen Hemden und die Haare offen , die in Wellen über ihren Rücken fielen. Sie roch nach seinem Duschgel. Er wollte wissen , was sich unter dem Hemd befand. Seine Sinne waren geweckt und ihre unmittelbare Nähe wirkte wie ein Aufputschmittel auf seine Libido. Verboten. Er musste sich zusammenreißen. Heiliger Himmel, kaum ging es ihm besser, erwachten sein Jagdtrieb und seine Lust. Sie würde eine beachtliche und reizende Beute abgeben, wenn sie nicht Franks Schwester wäre. Er knurrte in sich hinein. „Wie lange habe ich geschlafen?“
„Beinahe zwei Tage.“
„Zwei Tage?“
„Mit Unterbrechungen. Ich habe dich ab und zu geweckt und dir Medikamente und zu Trinken gegeben.“
„Wir haben viel Zeit verloren.“ Er kämpfte sich auf seine Unterarme.
„Du hast diese Zeit dringend benötigt.“
Erst jetzt registrierte er, dass er bis auf die Unterhose nackt war. Das war ihr Werk. Genauso war es ihr Werk, dass er sich nicht gut, aber besser fühlte. Schlaf und Fürsorge waren erstaunliche Heilmittel.
„Bei deinem hohen Fieber war das kein Wunder. Du scheinst einiges hinter dir zu haben.“ Sie spielte auf die deutlichen Zeichen und Verletzungen auf seinem Körper an , die ihr nicht entgangen sein konnten. Glücklicherweise bedrängte sie ihn nicht mit weiteren Fragen, was er ihr hoch anrechnete.
„Vielleicht.“ Er konnte seinen Blick nicht von ihr nehmen, konnte sie riechen, meinte sie bereits zu schmecken und jede Berührung ließ seine Erregung wachsen. Dagegen war er machtlos. „Das ist Vergangenheit. Jetzt sind wir hier.“
Ihr Lächeln verhieß den Himmel auf Erden. Ihre Augen glänzten wie tausend Saphire und
Weitere Kostenlose Bücher