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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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katholischen Priesters. Still, während nur die Gedanken in den Köpfen der Beteiligten rasten.
    Die junge Frau mit dem bernsteinfarbenen Haar suchte Antworten; und sie fühlte, dass ihr Gegenüber, trotz seiner etwas grobschlächtigen und unbeholfenen Art, bereit war, ihr zu helfen, diese Antworten zu finden. Zwar versuchten auch Tom und Lee rückhaltlos, sie mit Antworten zu versorgen, aber zum ersten Mal traf sie auf jemanden, der dies sowohl wollte als auch konnte .
    Erleichtert und dankbar lehnte sie sich gegen die teppichbehängte Wand und schlug das in Leder gebundene Tagebuch auf.

12. Kapitel, das von Layla McLane geschrieben wurde.
    August 1993

    Liebe Lara!
    Ja, Lara. Das ist Dein Name. Der Arzt ist sich nun absolut sicher, dass Du ein Mädchen bist. Meine Lara. Nein, unsere Lara.
    Wir , das sind Dein Vater und ich. Deine Eltern.
    Wir sind jetzt schon so unglaublich stolz auf Dich, obwohl wir Dich doch nur von Ultraschallbildern kennen; und manchmal, ja manchmal machst Du Dich bemerkbar. Dann, wenn Du Dich müde räkelst in meinem Bauch. Es ist wirklich etwas ganz Besonderes, etwas so unbeschreiblich Einmaliges, sein eigenes Kind unter dem Herzen zu spüren. Ja, und wer weiß – vielleicht geht es Dir in vielen Jahren einmal ähnlich.
    Aber ich schweife ab, das macht das Glück.
    Wir haben beschlossen, dass wir von Zeit zu Zeit in dieses Buch schreiben. Wir schreiben über alles, was unsere Welt bewegt, denn unsere Welt – das wirst Du bald herausfinden – ist vielleicht ein wenig eigen. Düstergolden ist sie. Zumindest sagt man hier so. Vorausgesetzt, es gibt keine allzu großen Veränderungen. Doch vor allem in den letzten Monaten scheint unsere düstergoldene Welt ab und zu ein wenig zu schlingern, ein wenig aus der Bahn zu geraten. Wir möchten, dass Du verstehst, wer wir sind und warum wir so sind, wie wir sind.
    Deshalb haben wir beschlossen, ab und an in dieses Buch zu schreiben (und wenn es nicht ausreichen sollte, in ein weiteres). Du bekommst es dann, wenn Du erwachsen bist – oder wenn wir Dich für alt genug halten, denn wir wissen beide, wie quälend es ab einem gewissen Alter sein kann, keine vernünftigen Erklärungen zu bekommen. Aber wir wissen auch, dass es für Eltern oder andere Personen mitunter nicht leicht ist, zufriedenstellende Erklärungen zu geben. Vielleicht hilft Dir in solchen Augenblicken dieses Buch weiter. Dir und Deinen Geschwistern, die Du hoffentlich auch irgendwann haben wirst.
    Ich fange nun einfach an und erzähle Dir ein wenig über uns.
    Wir sind die Familie McLane. Das sind wir ganz offiziell, seitdem ich – Layla Joel – Deinen Vater – Arthur McLane – geheiratet habe. Oh, es war ein wunderbares Fest, sage ich Dir. Die Stadt hat förmlich gebebt vor Freude, und es hat so gutgetan, all die Gesichter unserer Freunde an diesem Sommertag vor zwei Jahren lachen zu sehen. Es war beinahe genauso brütend heiß, wie es heute ist. So als stünde die Luft still und man könnte sie mit Kuchenmessern in Stücke schneiden und verpacken. Sie haben für uns weiße Rosenblätter aus dem Uhrenturm gestreut und über den Marktplatz fliegen lassen, und die Glocken von St. Anna Rosa haben geläutet – ja wirklich geläutet –, als wir durch das Tor der Kathedrale ins gleißende Sonnenlicht nach draußen getreten sind. Sogar Lord Hester ist persönlich erschienen, um uns zu gratulieren. Die Furgisons hatten eine riesige weiße Tafel in der Gobelingasse aufgebaut, und wir haben unter dem freien Himmel bis zum nächsten Morgen gefeiert, gelacht und getanzt.
    Da fällt mir ein, dass Du ja gar nichts über die Gobelingasse weißt. Noch nicht. Tja, aber schon bald sehr viel mehr. Denn hier befindet sich der kleine Laden, den wir eröffnet haben. Baltasar hat geholfen, uns mit Werkzeugen auszustatten. Er ist ein seltsamer Kauz, aber sehr liebenswürdig, obwohl er auch am Tage unserer Hochzeit immer nur traurig dreingeblickt hat. Er ist der alte Meister Deines Vaters, musst Du wissen, aber er hat aufgehört zu arbeiten, nachdem einer seiner Lehrlinge – Ruben – anfing, grausame Dinge herzustellen und sich offen zu Roland Winter bekannte. Aber das sind weniger erfreuliche Dinge, von denen ich Dir ein anderes Mal schreiben werde.
    Zurück zur Gobelingasse. Hier, inmitten des Handwerker- und

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