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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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oder sangen alte Folklieder, die Arthur von seinem Vater kannte.
    So vergingen die Wochen, und aus Freundschaft wurde irgendwann mehr, so wie Schatten irgendwann miteinander verschmelzen. Doch wir schafften es lange, lange nicht, es uns einzugestehen. Nein, stattdessen verloren wir unsere Herzen scheinbar an andere, nur um daraus zu lernen, dass wir dafür offenbar nicht geschaffen waren. Vielleicht wären wir immer noch nicht zusammen, wenn sich nicht Dein Vater irgendwann ein wahres Herz gefasst hätte, so, wie es in den Filmen der Fünfzigerjahre modern gewesen war.
    Es war am ersten Weihnachtstag vor acht Jahren. Tja, nun könntest Du sagen, mir macht Weihnachten nicht viel aus, da ich aus einer jüdischen Familie komme, aber weit gefehlt. Weihnachten breitet seine magischen Schwingen doch mittlerweile über die ganze Welt aus. Und selbst wenn es dabei immer mehr um Geschäftemacherei geht, so stellt sich doch eine beruhigende Gemütlichkeit in den Menschenseelen ein, wenn sich das Jahr dem Ende zuneigt. Und so stand Arthur McLane am Abend des ersten Weihnachtstages vor der Haustür Deiner Großeltern in Aviemore, wo ich über die Feiertage hingefahren war, und bat darum, mich sprechen zu können.
    Als ich ihn begrüßen wollte, drängte er mich, Schuhe und Mantel anzuziehen und die Augen zu schließen. Ich hatte mich in den Jahren unserer Freundschaft an solche Verrücktheiten gewöhnt, und so steckte er einen wunderschönen neuen Schlüssel in unsere Haustür, nahm meine Hand und führte mich eine ganze Weile über eine dichte Neuschneedecke, bis er mir endlich erlaubte, die Augen wieder aufzuschlagen.
    Was ich sah, übertraf alles, was ich bisher erlebt hatte.
    Wir standen vor einem flachen, künstlichen Teich auf der Avenue Gustave Eiffel am Rande des Parc du Champ de Mars und blickten auf den Eiffelturm, der sich, von Lichterketten funkelnd, von den schweren Wolken der Nacht abhob. Mitten in der Stadt, die sich von allen Städten auf dieser Welt wohl am besten eignet für solche Momente: Paris.
    Und von da an war es besiegelt und unterschrieben in der geheimen, flüsternden Sprache der Liebenden, mit heißem Wachs aus Leidenschaft und einem Siegel aus Geborgenheit. Und wenn Hollywood noch tausend Jahre der heroischen Filmgeschichte ins Haus stehen, so wird es doch nirgendwo wieder diesen Moment und diesen einen, alles bedeutenden Kuss geben.

    Ich fange an zu träumen.
    Dabei ist es sicherlich nicht gut, wenn man im Sommer vom Winter träumt, oder was meinst Du, meine liebe Lara?
    Zumindest weißt Du nun wieder ein wenig mehr über uns und kannst mit einem Augenzwinkern zur Kenntnis nehmen, dass wir alle auch nur Menschen sind. Wir träumen und hoffen, lieben und lehnen uns an.
    Deine Mama

    September 1993

    Meine liebe Lara!
    Der Tag Deiner Geburt rückt immer näher und näher. Aber einige wenige Monate müssen wir wohl noch warten. Aber wie gesagt, nicht mehr lang.
    Meine Kleidung wird mittlerweile wirklich etwas eng, und Du strampelst nach Belieben, wobei es Dir egal ist, zu welcher Tages- oder auch (oder sollte ich schreiben vor allem ) Nachtzeit. Doch wer sich Kinder wünscht, dem darf sein Schlaf nicht wichtig sein, schließlich werden wir auch in den ersten Jahren mit Dir – und mit Deinen Geschwistern natürlich auch – nachtnächtlich aufstehen und Dich beruhigen, Dich füttern, Deine Windeln wechseln und Dich wieder in den Schlaf singen. Und wenn ich ganz ehrlich bin: Ich freue mich schon auf die Ringe unter unseren Augen. Wir werden müde und unfassbar glücklich sein.
    Ich träume schon wieder.
    Dabei wollte ich Dir eigentlich schreiben, dass die Uhr für St. Anna Rosa endlich fertig ist. Sie ist riesengroß, aber das muss sie ja auch sein, wenn sie einen Kirchturm schmücken will. Beinahe ein ganzes Jahr hat es gedauert, sie fertigzustellen. Jeane, Dorothea und ich haben so viele Stunden oben im Kirchturm verbracht, haben uns Konstruktionen überlegt, Zahnräder eingepasst, Achsen verlegt und so vieles mehr. Es ist so unglaublich erfüllend, wenn man erlebt, wie die eigene Arbeit Früchte trägt, wie man seine eigenen Pläne verwirklicht. Robert Garbow war überglücklich, dass das klaffende Loch im Turm – dort, wo die alte Uhr vor Jahren schon stehen geblieben und verrostet war – nun endlich wieder zu etwas taugt.
    Wir hatten bei den Plänen

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