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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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unseren Ersparnissen können wir uns nicht ewig über Wasser halten.«
    Â»Ich bekomme immerhin auch ein kleines Gehalt bei Mr Quibbes.«
    Henry McLane sah sie an. Ohne Zweifel lag eine Menge Stolz in diesem Blick, aber auch ein wenig Wehmut.
    Â»Möglicherweise müssen wir die Wohnung verlassen, und ich muss in einen anderen Stadtteil oder auch in einen anderen Teil des Landes ziehen.«
    Â»Nein«, protestierte Lara. »Wir finden schon einen Weg.«
    Die rechte Hand des alten Mannes legte sich auf Laras.
    Â»Du könntest hier wohnen. In Ravinia.«
    Â»Mit Tom unter einem Dach?«
    Henry McLane zuckte mit den Schultern.
    Â»Nein«, Lara schüttelte energisch den Kopf. »Ich denke erstens nicht, dass er das möchte, und zweitens werde ich mit ihm als Mitbewohner mit Sicherheit ziemlich bald wahnsinnig.«
    Ihr Großvater überlegte.
    Â»Du könntest in –«
    Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihn.
    Â»Herein!«
    Die Klinke wurde hinuntergedrückt und hinein kam ein großer Blumenstrauß. Ein exorbitant großer Blumenstrauß. Gefolgt von einem ebenso exorbitant massigen Father Garbow. Als die Augen in seinem bärtigen Gesicht Lara entdeckten, hielt er abrupt inne.
    Â»Oh, entschuldigt, ich komme ungelegen.«
    Â»Ach papperlapapp«, sagte Henry McLane. »Komm rein, Robert!«
    Der Angesprochene schloss leise die Tür hinter sich.
    Â»Ich wusste nicht, dass deine Enkeltochter hier ist.«
    Er deutete eine Verbeugung an. »Miss McLane.«
    Â»Lara reicht«, meinte Lara nur, erstaunt über das elegante Auftreten des Priesters. Er trug einen grauen Anzug, darunter ein schwarzes Hemd und das für Priester übliche Kollar um den Hals.
    Â»Angenehm. Kann ich die hier irgendwo hinstellen?«, fragte er mit einem Blick auf die Blumen. Es belustigte Lara, wie der Priester den protzigen Blumenstrauß vor sich her trug, als wären es rohe Eier.
    Â»Leg ihn erst einmal hier auf den Nachttisch, ich lasse mir dann eine Vase bringen!«, antwortete Henry McLane.
    Nachdem der handliche Urwald aus Father Garbows Händen auf das winzige Nachtschränkchen gewandert war, setzte der Priester sich auf die andere Bettkante, Lara gegenüber. Das Bett knarzte, und die Matratze ließ eine deutliche Verlagerung des Gewichts spüren, aber das Bett hielt auch die dritte Person aus, trotz ihrer Masse.
    Â»Junge, Junge«, meinte Father Garbow schließlich. »Verzeih mir, dass ich erst jetzt auftauche, aber ich hatte gestern zu tun. Dass deine Familie aber auch die Angewohnheit hat, immer zu tief in den Schlamassel zu geraten.«
    Henry fand die Bemerkung offenbar nicht sonderlich komisch. »Muss am Erbmaterial liegen«, brummte er nur.
    Â»Sorry, so war’s nicht gemeint. Aber warum legt ihr euch auch immer mit den falschen Leuten an?«
    Â»Frag die falschen Leute!«
    Zugegeben, das Gespräch begann etwas schwierig, aber schließlich verfielen sie in einen lockeren Small Talk. Etwas Sinnlosigkeit in ernsten Zeiten war wie Balsam auf Laras Seele. Sie mochte den Priester. Er war vielleicht so alt, wie ihre Eltern gewesen wären, hätten sie den verhängnisvollen Abend vor vielen Jahren überlebt. Außerdem mochte Lara das lockere Mundwerk des Priesters, der sich trotz seiner eleganten Kleidung nicht zu schade für den einen oder anderen Straßenköterausdruck war und offenbar gerne über derbe Witze lachte.
    Ein Blick auf die Uhr zeigte Lara schließlich, dass sie sich ernsteren Angelegenheiten widmen sollte. Sie stand auf und verabschiedete sich von den beiden Männern. Vor dem Fenster hatte es wieder angefangen zu regnen, und so begann Lara im Gehen ihren Mantel zuzuknöpfen, während sie im Grunde ihres Herzens dankbar war, dass es ihrem Großvater gut ging. Gedanken um die Zukunft rauschten durch ihren Kopf. Bisher war ihr Leben immer relativ behütet gewesen, oder es war ihr zumindest so vorgekommen. Doch in den letzten Tagen hatte sich viel verändert. Dank Roland Winter, dem Mistkerl. Nicht nur dass er alles für ein paar Tage durcheinandergebracht hatte, nein, er hatte alles zerstört. Ihr Zuhause rann Lara zwischen den Fingern hindurch. Vielleicht wäre es ja besser gewesen, die Lehre bei Baltasar niemals anzufangen.
    Â»Lara, warte mal!«, rief jemand hinter ihr.
    Sie drehte sich um.
    Hinter ihr lief Father Garbow über den Krankenhausflur und winkte mit einer

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