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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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dicken Mannes standen in derart grotesken Winkeln ab, dass sich Lara bereits denken konnte, unter welch extremer Gewalteinwirkung er gestorben sein musste. Die massige Brust war eingedellt – sie musste richtiggehend zertrümmert worden sein. Unwillkürlich schüttelte sie sich bei dem Gedanken.
    Tom stand auf und blickte durch die breite Fensterfront in die Wüstenstadt hinab.
    Lange sagte er nichts, während die Klimaanlage eine Temperatur im Raum erzeugte, die nichts, aber auch gar nichts mit den gleißenden Wetterverhältnissen draußen gemein hatte. Völlig in Gedanken versunken starrte er hinab auf die Metropole in der Wüste, aus deren Sandboden die Wolkenkratzer wie Gras aus dem Boden zu wachsen schienen oder sich zumindest schon als halb fertige Stahlgerüste darum bemühten.
    Â»Waren das wieder die Sturmbringer?«, fragte Lee schließlich in die Stille des Raumes hinein.
    Tom drehte sich vom Fenster weg und schüttelte den Kopf.
    Â»Wieso sollten sie so etwas tun? Was hätten sie davon?«
    Lee zuckte die Achseln und hob eine Dattel auf, die aus einer umgestoßenen Schüssel herausgerollt war.
    Â»Ich überlege gerade etwas anderes, aber das will mir nicht gefallen«, fuhr Tom fort. »Zugegeben, Milton St. James war ein Mistkerl, aber wieso sollte ihn jemand umbringen wollen? Er hat nichts verbrochen, sein Geld ist ganz bestimmt irgendwo auf gut behüteten Nummernkonten sicher untergebracht.
    Auch Ma’Haraz kann nicht hier gewesen sein, sonst würden zerstörte Kristallkugeln herumliegen.«
    Â»Die könnte er weggeräumt haben«, schlug Lee vor.
    Â»Dann hätte er aber auch gleich aufräumen und die Leiche beseitigen können.«
    Lee zuckte mit den Schultern.
    Was Tom da sagte, schien Hand und Fuß zu haben. So langsam formte sich in Laras Kopf ebenfalls eine Idee, wer der Mörder von Milton St. James sein könnte.
    Â»Es war Winter, stimmt’s?«, fragte sie.
    Tom blickte sie unverwandt an.
    Â»Dafür haben wir keine Beweise, Lara. Aber ich würde genau dasselbe vermuten. Winter könnte hier Rache an Milton geübt haben.«
    Â»Aber«, meinte Lee, »das hieße ja, dass Winter schon längst einen Weg gefunden hat, sich wiederherzustellen, und wir die ganze Zeit nicht nur im Dunkeln, sondern auf der völlig falschen Fährte getappt sind.«
    Ein Seufzen entrang sich Toms Kehle, während er sich zu dem Toten hinunterbeugte und dessen zerschmetterten Brustkorb betastete.
    Â»Das wäre zumindest zu vermuten«, sagte er.
    Er stand wieder auf und sah sich in dem verwüsteten Raum um.
    Â»Allerdings«, schlussfolgerte er weiter, »hieße das auch, dass die Sturmbringer die ganze Zeit über einen Plan hatten. Dass sie damit gerechnet hatten, Winter in einer äußerst schlechten Verfassung anzutreffen. Dass sie vorgesorgt hatten und dass sie auch tatsächlich eine Möglichkeit gefunden haben, an den Jungbrunnen heranzukommen. Die Möglichkeit, die wir so verzweifelt suchen.«
    Betreten und verunsichert blickten die beiden Teenager einander an.
    Â»Was tut Roland Winter eigentlich mit einem?«, fragte Lee schließlich.
    Tom wandte sich ab und schritt den Raum ab.
    Â»Es heißt, er sei der Herr über Wind und Staub. Mehr weiß ich auch nicht. Ihr vergesst, dass ich zu dieser Zeit auch noch nicht in Ravinia war. Ich habe im Januar bei Baltasar angefangen. Kurz vor dem Jahreswechsel hatten sie Winter in ihre Falle gelockt.«
    Â»Du weißt es also nicht?«
    Â»Nein, ich habe aber auch nie danach gefragt. Es war einfach nicht wichtig, er war ja weg.«
    Plötzlich wirbelte er auf der Stelle herum und schaute Lara und Lee an. Erkenntnis lag auf Toms Gesicht.
    Â»Wenn er aber hier war, um sich zu rächen«, stammelte er und kramte in seinen Manteltaschen nach dem Schlüsselbund, »dann könnte das heißen, dass …«
    Weiter kam er nicht, denn schon hatte er den Raum mit einigen langen Schritten durchquert und die nächste Tür erreicht. Er schloss auf und scheuchte die beiden verdutzten Teenager hinaus auf die Gasse, die dahinterlag.
    Lara schaute sich um, während Tom die Tür hinter ihnen geräuschvoll zuzog und sich eilenden Schrittes in Bewegung setzte. Sie war schon einmal hier gewesen, beinahe ganz am Anfang des Jahres, ebenfalls mit Tom. Amsterdam. Dies war Amsterdam. Dieselbe Gasse, dieselben schmalen Häuser,

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