Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
Vom Netzwerk:
sich?«, ging die Frage an Tom.
    Der nickte.
    Â»Keine Entscheidung, nicht sehr mutig«, murmelte Falter mehr zu sich selbst.
    Â»Aber immerhin nicht vorschnell«, gab Tom zurück.
    Falter schnäuzte sich kurz, dann fuhr er fort.
    Â»Das wäre also geklärt. Bliebe die Frage, wo wir ansetzen. Was ist mit diesem Ruben. Denken Sie dasselbe wie ich, meine Herren?«
    Er blickte in die Runde.
    Stilles Nicken von allen Seiten.
    Â»Ruben Goldstein«, sagte Baltasar. »Sollte er wirklich damit zu tun haben, ist das eine große Schande für unsere Zunft.«
    Â»Ach kommen Sie«, meckerte Falter. »Das kann Ihnen egal sein. Sehen wir zu, dass wir ihn zur Rede stellen. Wo hält er sich auf? Oder besser gesagt: Wohin hat er sich nach dem Rummel vor fünfzehn Jahren zurückgezogen?«
    Â»Tschechien«, antwortete Tom.
    Fragende Blicke.
    Â»Das war das Letzte, was ich gehört habe. Irgendeine Kleinstadt in Tschechien.«
    Falter rollte mit den Augen.
    Â»Genauer geht’s wohl nicht?«
    Â»Nein. Seien Sie froh, dass ich überhaupt so viel weiß.«
    Â»Das hilft uns nicht.«
    Â»Allerdings«, fügte Tom hinzu, »kenne ich jemanden, der es wissen könnte.«
    Falter klatschte in seine dicken alten Hände, die wie Pranken wirkten.
    Â»Hervorragend«, meinte er und stand auf. »Wohin geht’s?«
    Â»Ã„hm, ich würde gern alleine …«
    Â»Ach«, Falter winkte ab. »Papperlapapp, das hier ist ernst, mein Junge.«
    Tom sah finster drein. Das »mein Junge« hatte gesessen.
    Â»Prag«, sagte er. »Wir gehen nach Prag.«
    Â»Also gut, meine Damen und Herren, auf nach Prag!«, rief Mr Falter. Es klang wie die Ansage in einer Straßenbahn oder einem Flugzeug. »Wer nochmal muss, der geht jetzt. Und Sie«, er deutete auf die beiden Schlüsselmacher, »suchen uns einen passenden Schlüssel heraus.«
    Alles erhob sich und zog sich Mäntel, Schals und Mützen an. Tom bekam seinen schwarzen Lodenmantel zurück und sah nun wieder aus wie Tom, während Lara in ihren eigenen Mantel schlüpfte. Stühle wurden zurechtgerückt, Teetassen weggeräumt.
    Dann gingen sie ins Hinterzimmer. Dorthin, von wo aus Baltasar und Tom so oft zu anderen Orten aufbrachen.

6. Kapitel, in dem ein ohnehin schon unheimliches Haus wirklich so richtig gruselig wird.
    Prag lässt nicht los … Dieses Mütterchen hat Krallen.
    Â  Franz Kafka
    Würde man zu dieser Jahreszeit auch Winter sagen, wenn sie gar nicht kalt wäre?
    Bald war Frühlingsbeginn, und danach blieb es erfahrungsgemäß immer noch kalt in den meisten Ländern Europas – zumindest in denjenigen, die nördlich des alpinen Walls aus Bergen lagen. In manchen sogar eiskalt, zum Beispiel in Russland oder Norwegen. Aber auch in Tschechien waren die Temperaturen mitten im März nicht dazu gemacht, Eis zu verkaufen oder ins Freibad zu gehen.
    Es war einfach nur bitterkalt.
    Und mitten durch diese Eiseskälte stapfte eine kleine Gemeinschaft über den Altstädter Ring durch ein tiefgekühltes Prag.
    Die goldene Stadt an der Moldau lag – ähnlich wie Edinburgh – noch unberührt von den Touristenströmen Europas da und verbreitete einen milden Glanz. Helle, alte Häuser, soweit das Auge reichte, und vor allem rote Dächer. Niemand hier schien im Laufe all der Jahre auf die Idee gekommen zu sein, man könne ein Hausdach mit etwas anderem decken als mit roten Dachpfannen.
    Ãœber das breit getretene und abgenutzte Kopfsteinpflaster der Gehwege eilten sie dahin. Sieben dick eingemummelte Gestalten: Die zwei Schlüsselmacher, einer mit einer schwarzen Zigarette im Mund, der zweite missmutig mit den Händen in den Taschen seines dunklen Mantels. Die zwei Kommissare in ihren grauen Trenchcoats mit hochgeschlagenen Kragen. Die dicke Wahrsagerin, deren Bedeutung für die Ermittlungen Lara noch nicht in Erfahrung gebracht hatte. Die schlanke Nachtwächterin mit der grünen Locke, deren Schritte, jeder für sich, eine eigene Welt voll Anmut und tödlicher Präzision bildeten.
    Und Lara.
    Lara McLane mit eingezogenem Kopf, die Ohren unter der Mütze und zwischen dem roten Schal versteckt. Kopfhörer aufzusetzen wagte sie nicht. Kommissar Cooper schien sich alles andere als zu freuen, sie dabeizuhaben. Er hielt es offenbar für ein notwendiges Übel, und Lara hatte keinen Bedarf, sich mit ihm

Weitere Kostenlose Bücher