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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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dass ich mich irre.«
    Der Rabbi nickte still.
    Schließlich drehte er müde den Kopf.
    Â»Also gut«, hauchte er. »Das überschreitet meine Kompetenzen bei Weitem, aber wenn es Schlimmeres verhüten kann, möge der Herr mir verzeihen.«
    Eine zweite Traurigkeit hatte sich in die Augen des Rabbi gestohlen. Frischer als jene, die die ganze Zeit schon dort weilte. Ein Schatten, wie ihn der Mond bei einer Sonnenfinsternis wirft, und Lara musste daran denken, dass das Leben wie ein Herbstregen sein kann. Rabbi Friedmann tapste gerade barfüßig durch die bitterkalten Pfützen.
    Â»Böhmisch Krumau«, sagte er leise. »Oder Cˇeský Krumlov, wie wir hier sagen. Dort wohnt er. Wartet, ich hole die genaue Adresse aus meinem Arbeitszimmer.«
    So erhob er sich und schlurfte davon.
    Tom war nicht anzusehen, inwiefern ihn der Streit mit dem Rabbi getroffen hatte. Seine Augen sagten wie üblich nichts über seine Gedanken oder Gefühle aus. Lara fragte sich, was Tom wohl mit diesem seltsamen, traurigen Ort verband und warum er eigentlich nicht hatte herkommen wollen.
    Hermann Falter wandte sich an Tom. Seine Stimme nahm einen verhörartigen Ton an.
    Â»Wer ist dieser Friedmann, und wieso kennt er Ravinia?«
    Tom zog eine Augenbraue hoch.
    Â»Mein lieber Mr Falter, Sie müssen nicht alles wissen. Aber ich werde es Ihnen sagen – sonst stehe ich womöglich bald selbst unter Verdacht.«
    Falter schnaubte verächtlich.
    Â»Nun haben Sie sich nicht so«, fuhr Tom auf. »Sie sollten mal ein wenig Gelassenheit tanken. Rabbi Friedmann hat vor vielen Jahrzehnten in der Synagoge von Ravinia gearbeitet. Nicht als Rabbi. Einfach nur so. Und bevor Sie fragen: Nein, er hat keinerlei besondere Talente. Die haben Sie im Übrigen ja auch nicht. Malcolm Friedmann ist einfach nur ein guter Seelsorger.«
    Der Besagte war gerade im Begriff gewesen, an den Tisch zurückzukehren, stockte kurz und sah Tom fragend an.
    Â»Oh, ich habe nur kurz deine früheren Beziehungen zur düstergoldenen Stadt erklärt. Jemand war misstrauisch.«
    Friedmann nickte, offenbar genügte ihm die Antwort, und schob Tom einen Zettel über den Tisch, den dieser sorgfältig studierte, um dann Baltasar anzusehen.
    Â»Du hast nicht zufällig einen Schlüssel in die böhmische Provinz?«
    Baltasar schüttelte den Kopf.
    Â»Dann, meine Damen und Herren«, verkündete Tom tonlos, »sieht es wohl so aus, als müssten wir zum hlavní nádraží .«
    Â»Wohin?«
    Â»Zum Hauptbahnhof.«
    Â»Schön«, murrte Mr Charles Cooper. »Wozu haben wir Sie eigentlich dabei, wenn wir trotzdem Zug fahren?«
    Tom sah ihn unverwandt an.
    Â»Bisher haben wir Ihre Arbeit gemacht, beklagen Sie sich also nicht!«
    Cooper stieß verächtlich die Luft aus.

    Es sah ein wenig wie Herbstregen aus.
    Das Wasser klatschte nur so an die Scheiben des Regionalzuges nach Südböhmen. Tiefgrau rauschte der Himmel vorbei, die blätterlosen Bäume standen wie Narben davor. Ab und an wirbelte der Zug etwas Laub auf, das ebenfalls an den Fensterscheiben kleben blieb und nur langsam vom nachfolgenden Regen wieder abgespült wurde.
    Geneva, Baltasar und Lara besetzten zusammen mit Mama Zamora eine Vierer-Sitzgruppe um einen kleinen, klapprigen Tisch. In den zwei Sitzen hinter ihnen saßen die beiden Kommissare. Tom hatte sich einige Sitzreihen weiter nach hinten zurückgezogen.
    Schweigend fuhren sie so durch ein regnerisches Tschechien.
    Im historischen Hauptbahnhof von Prag hatte Mr Falter Geld gewechselt. Er war der Einzige gewesen, der Euro dabeigehabt hatte, die der tschechische Wechsler mit leuchtenden Augen entgegengenommen hatte. Lara hätte gewettet, dass es ihn einiges an Beherrschung gekostet haben musste, sich nicht auch noch diebisch die Hände zu reiben. Auf die Frage von Mama Zamora, ob sich Mr Falter sicher sei, nicht hereingelegt worden zu sein, murrte dieser nur: »Und wenn schon. Wird mir doch sowieso erstattet.«
    So hatte er mit den eingetauschten Kronen und unter den zweifelnden Blicken von Mama Zamora sieben Fahrkarten nach Krumau gelöst und zu Laras völligem Erstaunen danach alle in ein uraltes Bahnhofscafé eingeladen, über dem ein schweres, gusseisernes Schild prangte, auf dem in großen Buchstaben » PRAGA  – mater urbium« geschrieben stand.
    Â»Ist, um die Wartezeit zu überbrücken«, hatte

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