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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Wände. Dort gab es ganze Abschnitte, die über und über beschrieben waren.
    Â»Was steht dort?«, fragte sie Geneva leise, doch diese legte nur den Finger an die Lippen.
    Â»Namen«, antwortete stattdessen der Mann mit der Kippa, ohne den Kopf zu wenden.
    Â»Die Namen unserer Brüder und Schwestern, die den Tod in der Zeit des großen Krieges fanden.«
    Lara schluckte.
    Â»Achtzigtausend.«
    Es wurde kalt. Diese Wände schrien einem den Schmerz von Generationen entgegen. Lara schauderte. War die Josefstadt wirklich die Stadt des Schmerzes?
    Sie folgten dem Mann mit der Kippa weiter, eine Treppe hinunter, durch ein Türchen und kamen in eine geräumige Stube mit einem schweren Eichentisch und einigen Stühlen.
    Â»Setzen Sie sich! Setzen Sie sich!«, forderte er alle auf. Er selbst setzte sich an den Kopf des Tisches und bedeutete Tom, sich zu seiner Rechten zu setzen.
    Anschließend stellte Tom alle seine Begleiter vor, einschließlich Lara.
    Â»Und das ist Rabbi Friedmann«, schloss er mit einem Blick auf den Kippaträger.
    Â»Angenehm«, brummte Mr Falter.
    Â»Sehr erfreut«, meinte Mr Cooper.
    Â»Möchten die Herrschaften einen Tee?«, fragte der Rabbi, doch alle verneinten. Sie hatten ja vor Kurzem noch beim Tee zusammengesessen.
    Â»Dann bestehe ich nun allerdings darauf, den Grund dieses seltsamen Besuches zu erfahren. Tom?«
    Dieser nickte nur und bedeutete Mr Falter, das Wort zu ergreifen. Dieser räusperte sich und begann mit seiner Wolfsstimme zu erklären. Er erzählte lange nicht alles, was er wusste, so viel bekam Lara sehr wohl mit. Es kam ihm ganz darauf an, dem Rabbi die Dringlichkeit ihres Anliegens vor Augen zu führen. Falters ganze Erscheinung ließ an keiner Stelle einen Zweifel daran, dass er ein absoluter Profi war.
    Als er geendet hatte, legte sich ein nachdenkliches Schweigen über den Raum. Rabbi Friedmann blickte über den Rand seiner Brille hinweg in die Runde.
    Â»Das sind schwere Verdächtigungen, die Sie da hegen, Mr Falter«, überlegte er schließlich laut.
    Â»Um ehrlich zu sein, werter Rabbi, es ist die einzige Spur, die wir haben.«
    Offenbar kostete es Falter etwas Überwindung, dies einzugestehen, denn er presste es zwischen den Zähnen hervor.
    Der Rabbi stand auf und begann, mit hinter dem Rücken verschränkten Armen auf und ab zu wandern.
    Â»Und nur weil Sie nichts Besseres haben, dem sie nachgehen können, möchten Sie von mir wissen, wo sich Ruben aufhält? Das ist etwas dürftig. Ich fürchte, das kann ich nicht verantworten.«
    Er warf der niedergeschmetterten Lara einen Blick zu.
    Â»So leid es mir auch tut, meine Schweigepflicht verbietet es.«
    Seine Arme ruhten nun auf der mit Schnitzereien verzierten Lehne seines Stuhls.
    Â»Das kann nicht dein Ernst sein, Malcolm!«
    Es war Tom. Er war aufgestanden, und einen Moment schien es, als würden die Augen der beiden Stehenden einen stummen Kampf austragen.
    Â»Ich bin nicht hierher zurückgekommen, um einfach nur Guten Tag zu sagen. Du kannst uns das nicht verschweigen, so kurzsichtig kannst nicht einmal du in deinem gekränkten Stolz sein.«
    Â»Was weißt du denn schon von Stolz, Junge?«, herrschte der Rabbi ihn an. »Wessen Stolz und Selbstachtung einmal zwischen die Bestien gerät, der trägt sie fortan hoch. Und es ist sein gutes Recht, es zu tun.«
    Â»Warum hängt ihr immer noch in alten Zeiten fest? Warum? Ist es so erstrebenswert, sich im eigenen Leid zu suhlen? Macht es euch so blind?«
    Und dann erzählte er aufgebracht von seinen Verdächtigungen in Bezug auf den abtrünnigen Nachtwächter, Ruben Goldstein und Roland Winter. Mr Falter ließ sich nicht anmerken, ob er es guthieß, was Tom alles erzählte. Er schwieg.
    Zwischendurch musste sich der Rabbi setzen und wurde kreidebleich. Immer wieder schüttelte er den Kopf, als würden dort ungebetene Lieder um die Wette singen, die es zu verscheuchen galt.
    Am Ende seiner Ausführungen fasste Tom den Rabbi am Arm.
    Â»Und selbst wenn es nur ein falscher Verdacht ist, Malcolm. Wir müssen ihm nachgehen.«
    Rabbi Friedmann riss seinen Arm los und stützte seinen Kopf darin ab. Er sah aus, als habe er soeben vom Tod eines geliebten Menschen erfahren.
    Â»Und … und du bist sicher, dass man ihn zurückholen will?«, stammelte er.
    Tom legte den Kopf schief.
    Â»Ich hoffe, um Ravinias willen,

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