Ravinia
sonderbaren Formen und GröÃen daran. Beinahe sah es so aus, als ob hier einige mehr oder weniger gelungene Experimente von Tom an einem Bund versammelt waren.
Es rauschte hinter ihrem rechten Ohr, und der Schlüsselbund wurde ihr sogleich wieder aus der Hand gerissen.
Erschrocken blickte sie ihm nach.
Eine Art mechanischer Vogel â den Konturen nach ein Rabe â hatte den Bund aus Laras Fingern geschnappt und war damit auf eines der hohen, runden Bücherregale geflüchtet.
Etwas polterte gegen die Tür.
Ruben!
Wieder und wieder. Die Tür knackte. Ruben hatte es offenbar eilig.
Lara ebenfalls.
Sie rannte zu dem dicken Eichenschreibtisch, der an einer Fensterfront etwas erhöht stand. Das Erste, was ihr ins Auge fiel, war ein Briefbeschwerer aus Messing. Er war so groà wie eine Faust und hatte die Form eines Tigerkopfes. Lara drehte sich um und warf.
Und manchmal, ja eben manchmal, nennt sich der Zufall auch Schicksal. Und ab und an spricht man in solchen Momenten von Glück .
Der mechanische Rabe hatte nicht den Hauch einer Chance. Er fiel zerdrückt, mitsamt Briefbeschwerer und Schlüsselbund, auf den Boden und rührte sich nicht mehr.
Lara hastete hinüber und schnappte sich die Schlüssel.
Die Tür krachte.
Ruben schlug wohl mit irgendetwas Schwerem dagegen.
Es krachte wieder.
Die paar Meter zurück zum Schreibtisch erschienen Lara wie eine Ewigkeit, während etwas erneut gegen die Tür donnerte. Ein erstes Splittern war zu hören.
Und da war es. Genau da, wo Lara gehofft hatte, befand sich ein Schlüsselloch: In der Schranktür an der Seite des Schreibtischs. Dort, wo man für gewöhnlich wichtige Ordner und Papiere aufbewahrte, die niemanden etwas angingen. Die Tür war nicht viel gröÃer als ein Fenster, aber es musste reichen.
Es splitterte erneut. Wütende Rufe wurden laut und schallten von der Tür zu Lara hinüber, aber offenbar hielt sie Rubens Anstrengungen immer noch stand.
Lara fingerte an dem Schlüsselbund herum. Genau ein einziger Schlüssel war es, der die richtige GröÃe haben mochte für das Loch im Schreibtisch.
In Laras Kopf formte sich leise und flehend ein Wort: Bitte!
Sie steckte den Schlüssel hinein und drehte ihn. Ja, sie drehte ihn. Er lieà sich tatsächlich bewegen. Sie öffnete die Tür und kroch hinaus auf einen vom Regen nassen Bürgersteig aus Asphalt.
Die Tür zum Arbeitszimmer gab mit Getöse nach, und Lara hörte Ruben durchs Zimmer laufen.
Sie zog den Schlüssel ab und die Tür zu. Rubens Hand erschien im Spalt, aber zu spät. Seine Fingernägel kratzten nur noch über das Holz der Schreibtischtür.
Lara war entkommen.
7. Kapitel, in dem Lara einiges über Hilfe und Hilflosigkeit erfährt und erneut einige überraschende Begegnungen hat.
And I was standinâ on the side of the road
Rain fallinâ on my shoes
 Bob Dylan
Manchmal weht ein Sturm durch das eigene Leben. Er pustet und bläst mit aller Gewalt und lässt am Ende oft keinen Stein auf dem anderen.
Nein, das war kein Herbstregen.
Herbstregen war durchsetzt von warmer Melancholie, auch wenn seine Temperaturen sicherlich ähnlich waren wie diejenigen des Regens, der gerade langsam durch Laras Hose drang.
Ihre Ohren klingelten immer noch von dem lärmenden Chaos in der Empfangshalle. Zusammen mit dem Tropfen des Regens ergab das ein höchst seltsames Rauschen und Fiepen.
Sie wechselte ihre Stellung und hockte sich auf die FüÃe, nachdem sie bereits einige Minuten regungslos auf ihren Knien verharrt hatte. Die Hosenbeine und der Saum ihres Mantels hatten begonnen, sich mit dem Wasser des Gehwegs, auf dem sie sich befand, vollzusaugen. Autos rasten vereinzelt vorbei, während der Regen verzweifelt versuchte, die Sorgen aus Laras Haaren zu spülen.
Die Welt schien gleichzeitig aufzuatmen und sich zu einem Seufzer herabzulassen.
Ja, sie war vor dem diabolischen Ruben Goldstein in Sicherheit. Er konnte ihr nicht folgen, denn der Schlüssel konnte sie überallhin gebracht haben. Und damit begannen auch schon die Probleme. Denn sie konnte tatsächlich überall sein. Eine LandstraÃe, eine Bushaltestelle, ein Stromkasten, zu dem der Schlüssel sie aus Rubens Arbeitszimmer gebracht hatte. Immerhin waren die Schilder und Plakate an der Bushaltestelle in englischer Sprache geschrieben, aber die Autos fuhren auf der falschen StraÃenseite,
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