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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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begabt«, meinte Berrie im Plauderton.
    Der Junge?
    Lee!
    Lara schlug sich vor den Kopf.
    Â»Wo ist er?«, fragte sie hastig nach und schlug die Decke zurück. Daran hatte sie gar nicht mehr gedacht. Was um alles in der Welt sollte sie aber auch tun? Lee hatte sich einfach so mit nach Ravinia gedrängelt. Und dann war sie einfach so umgekippt. Aus Schwäche vermutlich. Erschöpft von der Flucht.
    Â»Oh, er ist mit Francesco auf den Markt gegangen, frische Fische holen. Ich dachte, dass Francesco ihm schon einmal die Stadt zeigen kann, während du schläfst.«
    Â»Nein, nein, Sie verstehen das nicht. Lee hat mit Ravinia gar nichts zu tun.«
    Berrie drehte sich um und blickte sie aus ihren tief liegenden Augen eindringlich an.
    Â»Jetzt schon«, stellte sie fest und brachte es damit auf den Punkt.
    Â»Aber Lee verfügt über keinerlei sonderbare Fähigkeiten«, versuchte Lara zu erklären.
    Da ließ Berrie das Abendessen einfach auf der heißen Platte stehen und setzte sich erneut auf Laras Bettkante.
    Â»Ich kann es nur wiederholen: Jetzt hat er schon mit der Stadt zu tun. Ob es gut ist oder nicht, wird sich zeigen«, meinte sie. Diesmal klang es nicht mehr einfach so dahergesagt, sondern nachdrücklich und ernst.
    Â»Lara, so heißt du doch, oder?«, vergewisserte Berrie sich. »Oder wie wäre es mit Ms McLane?«
    Â»Woher –?«, aber Berrie hob die Hand, und Lara schwieg aufgrund dieses Anflugs geballter Autorität, der sich ihr entgegendrängte.
    Â»Der Junge hat mir deinen Namen verraten. Und bevor du dir weitere Sorgen machst: Lee hat tatsächlich besondere Begabungen. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen wegen der Sachen, die man dir vermutlich bei den Mechanikern erzählt hat.«
    Â»Sie meinen, dass nicht jeder Zutritt zu Ravinia haben sollte?«
    Berrie nickte.
    Â»Damit haben sie sogar recht«, meinte sie. »Dennoch gibt es Dinge, die passieren einfach. Selbst wenn der Junge kein besonderes Talent vorzuweisen hätte – jetzt wäre es zu spät. Viel wichtiger ist es zu wissen, dass manche Dinge eben passieren.«
    Â»Schicksal«, murmelte Lara leise vor sich hin.
    Dann stand sie auf.
    Â»Wissen Sie, wie ich am schnellsten zum Uhrenturm komme?«
    Berrie stand auf und ging wieder zum Herd. Offenbar drängte sie ein immer schärfer werdender Geruch dorthin.
    Â»Du gehst vor dem Essen nirgendwohin!«, erklärte sie.
    Â»Ich muss aber!«
    Und in diesem Satz klang alle Verzweiflung der Welt mit. Berrie sah sie halb erschrocken an, doch besann sich dann, dass es etwas geben musste, das Lara zu dieser Verzweiflung antrieb. Sie nahm einen rostigen Küchenfreund und hob den Kuchen von der Steinplatte herunter auf eine Ablage. Dann zog sie einen Hocker an ein niedriges Tischchen und bedeutete Lara, sich zu setzen.
    Lara tat, wie geheißen, und dann begann sie zu erzählen. Wie ein Wasserfall kam es aus ihr heraus: die Morde, die Flucht nach Lissabon, die Reisen nach Prag und Böhmen und schließlich die erneute Flucht und das Zusammentreffen mit Lee.
    Ihre Augen glänzten wie Tau, als sie geendet hatte. Berrie hatte ihr zugehört, still und weise. Nur einmal hatte Schrecken in ihren Augen aufgeblitzt, als es um den Kampf gegen die mechanischen Männer ging. Aber bevor Lara es hätte fassen können, hatten sich Berries Züge schon wieder geglättet.
    Schließlich holte sie Luft.
    Â»Ich muss zum Uhrenturm. Ich muss mit Eusebius Lanchester sprechen«, flehte sie.
    Â»Und das ist alles?«, vergewisserte sich Berrie, aber es klang nicht nach einem Verhör, sondern eher wie ein Psychologe, der versucht, die Situation einzuschätzen.
    Lara nickte nur.
    Â»Dann mag es zwar traurig klingen, Lara, aber in diesem Fall macht es wohl keinen Unterschied, ob du Mr Lanchester vor oder nach dem Essen sprichst. Deine Freunde sind auf sich allein gestellt, wie du schon gesagt hast.«
    Da kullerten die Tränen wieder, und Lara versuchte, sich gar nicht erst dagegen zu wehren.
    Â»Aber lass dir gesagt sein, Lara«, tröstete Berrie sie, »deine beiden Schlüsselmacher und Mr Falter sind Leute, denen ihr Ruf mehr als vorauseilt. Ich habe keinen von ihnen jemals getroffen, und trotzdem kenne ich ihre Namen. Von Tom Truska erzählt man sich gar, dass der Stadtrat sich vor ihm fürchtet.«
    Lara sah auf.
    Â»Fürchten? Warum das denn?«
    Â»Weil er gut ist«,

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