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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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mehr zu und begann, Berrie mit allerlei Fragen zu bombardieren.
    Â»Was du als Wahrsager tust, hängt stark von deinen Talenten ab«, meinte Berrie. »Vielleicht wirst du ein Traumdeuter? Immerhin hat das Ganze mit deinen Träumen begonnen.«
    Lee war und blieb aufgekratzt. Natürlich. Lara war es damals ja auch gewesen, als sie zum ersten Mal in Ravinia gewesen war. Immerhin schien man durch die Bekanntschaft mit Ravinia in eine andere Welt zu fallen.
    Wichtig war für Lara zunächst einmal nur die Tatsache, dass sie sich ein wenig entspannte. Sie war hier bei guten Leuten, dessen war sie sich sicher. Und Geborgenheit scheint eine der Grundzutaten für Zuversicht zu sein. Selbst wenn man sich noch so verloren vorkommen mag.
    Schließlich fragte Lee, ob es nicht irgendwelche Gemeinsamkeiten unter den Wahrsagern gäbe. Da stand Berrie wortlos auf und huschte in eine Ecke. Sie kramte in einer Truhe herum und kam schließlich an den Tisch zurück. In der Hand hatte sie eine kleine, ja beinahe winzige Phiole.
    Â»Das«, sagte sie, »ist eines der wenigen Dinge, die beinahe jeder Wahrsager kann. Ich muss allerdings gestehen, dass ich selbst gar nicht so gut darin bin. Es hat mich allerdings auch nie speziell interessiert.«
    Sie zeigte auf die kleine Phiole.
    Â»Das ist möglicherweise sogar mein Letzter. Ich glaube, ich habe ihn, seit ich noch ein Lehrling war. Oder wenn ich schon eine richtige Wahrsagerin war, dann war ich es zumindest noch nicht lange.«
    Sie entkorkte die Phiole.
    Ein Blitz entwich ihr. Nein, kein Blitz, es war mehr eine Flamme, eine kleine, flackernde Flamme, die allerdings keine Wärme abzustrahlen schien. Genau wie die Lichterscheinungen, mit denen Mama Zamora Rubens Uhren zerstört hatte. Die Erscheinung huschte nach oben gegen die Decke und von dort aus in die eine oder andere Ecke, bis sie schließlich zielsicher auf die glühenden Kohlen des Herdes zuhielt und dort verschwand.
    Â»Was war das?«, fragten Lee und Lara im Chor.
    Â»Ein Lichtgeist«, klärte Berrie sie auf. »Allerdings nur ein kleiner. Wie gesagt, ich hab’s nicht so mit denen. Aber da das Handwerk aller Wahrsager immer eng mit Licht und Dunkelheit verwoben ist, hat jeder von uns auch ab und zu mit Lichtgeistern zu tun. Wir können sie sogar einfangen.«
    Â»Ist das nicht grausam?«, wollte Lee wissen und überraschte Lara ein wenig. Diese Frage hätte sie ihm so nicht zugetraut.
    Berrie schüttelte den Kopf.
    Â»Lichtgeister sind wie alle Geister. Zeit spielt für sie keine Rolle. Ihm dürfte es egal gewesen sein, ob ich ihn für eine Sekunde oder für zwanzig Jahre in der Phiole gefangen gehalten habe. Natürlich ärgert ihn das ein wenig, aber es tut ihnen nicht weh.«
    Es klopfte an der Tür.
    Berrie verdrehte die Augen.
    Â»Ist denn heute Tag der offenen Tür im Haus der Kreidefrau?«
    Francesco erhob sich von seinem Hocker und machte die Tür auf, in deren Rahmen jemand stand, den Lara schon einmal gesehen hatte.
    Lange Haare wehten ihm über die Schultern, die in einem Flickenledermantel steckten.
    Marcion.
    Â»Francesco«, begrüßte er den blassen Mann.
    Â»Was willst du?«
    In der Frage klang mit, dass Francesco eine Gemeinsamkeit mit Tom zu teilen schien: Sie mochten Marcion nicht.
    Â»Lass ihn rein«, rief Berrie, worauf der große Francesco den Weg frei gab. Etwas widerwillig vielleicht.
    Marcion ließ sich von Francescos Erscheinung allerdings nicht beeindrucken, sondern drängelte sich schnurstracks an ihm vorbei ins Innere. Mit einem unzufriedenen Knurren machte Francesco die Tür wieder zu, während Marcion sich ohne Umschweife Francescos Hocker nahm und sich an den Tisch setzte. Francesco hingegen schnappte sich eine Holzkiste und zog sie sich an den Tisch heran.
    Marcions fingerkuppenlose Handschuhe verschwanden in seinen Taschen, dann streckte er Berrie die Hand entgegen.
    Â»Hallo Kreidefrau«, sagte er mit dem Grinsen eines Sunnyboys auf dem Gesicht. »Wie ist die Lage?«
    Â»Ich kann nicht klagen«, antwortete Berrie auf diesen kläglichen Small-Talk-Versuch. Sie klang nicht so abweisend wie Francesco, aber auch nicht übermäßig begeistert. »Sag, Marcion, was verschafft uns die Ehre?«
    Ein beiläufiges Achselzucken begleitete Marcions Worte:
    Â»Ach, man hört so dies und jenes in der Stadt.«
    Sein Blick wanderte zu Lara.
    Â»Unter anderem soll aus dem

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