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Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Titel: Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Twin
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eine
Tonlage zu hoch. Ich schäme mich und spüre, wie mir die Hitze in die Wangen
steigt.
    »Ich glaube, wir hatten schon einmal das
Vergnügen,« sagt er.
    »N-nein.«
    »Woher stammst du? Bezirk drei?«
    »J-ja.«
    »Sicher sind wir uns da schon einmal begegnet.«
    Natürlich hat er mich wieder erkannt. Ich sehe es
an seinem Blick. Jetzt öffnet er den Mund und lächelt. »Ich freue mich schon auf
unser Spezialtraining.«
    Ein Fächer wäre
cool – ich könnte dringend kühlen Wind gebrauchen. Hitze flutet in Wellen
meine Gedanken. »Ich weiß noch nicht, ob ich mich freuen werde«, sage ich
trotzig.
    Er beginnt zu lachen und öffnet dabei weit den
Mund. Keine spitzen Eckzähne. Wo sind die Zähne hin, die mir solche Angst
gemacht haben? Ich begreife das nicht.
    »Mistral!«, ruft Erikson mich. »Kommen Sie! Ihre
Arbeitsschicht beginnt pünktlich und sie wollen sicher noch vorher zu Mittag
essen.«
    Er nickt Kill zu und öffnet die Tür, durch die wir
vor zwei Minuten die Halle betreten haben. Widerspruchslos folge ich ihm. In
meinem Gehirn laufen die Gedanken heiß. Es gibt einfach keine Erklärung für
Kills Anwesenheit.
    »Wie heißt nochmal mein Trainingspartner?«, frage
ich und versuche belanglos zu klingen.
    »Kilian, aber alle nennen ihn Kill.«
    Kein
Doppelgänger! Damit erlischt der letzte Hoffnungsfunken, dass ich mich
geirrt haben könnte. Für einen Moment überlege ich, ob ich sagen soll, dass da
drinnen ein Wolfer ist. Vorsichtig blicke ich meinen Lehrer an. Aber ich kann
nicht in seinem Gesicht lesen.
    »Man könnte meinen, er ist ein Wolfer?«, beginne
ich zaghaft das Gespräch. Nun ist es raus. Augenblicklich bereue ich meine
Worte. Ich habe keine Beweise. Er hat nicht einmal mehr die verräterischen
Eckzähne – und Fell hat er auch nicht. Nur ich weiß, was er wirklich ist.
    Mein Sportlehrer bleibt stehen und schiebt die
Augenbrauen zusammen. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Wegen der durchtrainierten Gestalt«, sage ich
kleinlaut und ahne, wie blöd das klingen muss. Erikson ist ein muskelbepackter
Riese von knapp zwei Metern.
    »Sind Sie schon einmal einem von ihnen begegnet?«
    »Ja.«
    »Und? Warum hat er Sie nicht getötet?«
    »Ich weiß es nicht«, antworte ich und beschließe
zu schweigen.

 
    Tief ins Fleisch

 
    Z usammengetrieben wie eine
Herde Schafe hasten die Erntearbeiter über die grüne Ebene. Ihre Gesichter sind
angespannt, aus ihren Augen kriecht die blanke Angst. Keiner würdigt das satte
Gras eines Blickes; auch die goldenen Ähren, die sich prall und reif im Wind
biegen, bleiben unbeachtet. Ebenso die leuchtenden Mohnblumen. Die Frauen und
Männer haben den Blick einzig für den über ihnen lauernden Tod geschärft.
    Ich beiße die Zähne zusammen, denn ich bin eine von
ihnen.
    Aber ich will nicht fühlen wie sie. Wer von Angst
erfüllt ist, denkt nicht kühn und handelt nicht unbeschwert.
    Ich will sein wie die Gills und kämpfen wie unsere
Feinde – wie die Falkgreifer und die Wolfer. Wie Kill.
    Wieso ist er hier? Ich irre mich nicht. Er ist es
– er ist derjenige, der mich am Wasserfall verschont hat. Es sind seine
lodernden Augen, in die ich heute erneut geblickt habe. Und doch ist es völlig
unmöglich.
    In den Berichten der Gills heißt es, dass manche Wolfer
der Spur einer Beute über tausende Kilometer folgen – aus reinem Jagdvergnügen. Dann ist es also beschlossene Sache, denke
ich, er wird mich töten, wenn er die
Jagd für beendet erklärt hat. Noch hat er keine Eile damit, noch umkreist er
mich. Aber wie lange noch? Angst packt mein Herz und lässt es heftig klopfen,
wenn ich nur an die letzte Begegnung denke. Wie wird es beim nächsten Mal sein?
Aber da ist noch etwas, das mich verwirrt und in heißen Wellen durchflutet. Ein
Gefühl, das ich nicht zulassen will, und doch kann ich es nicht leugnen. Es ist
ein geheimes, verbotenes Sehnen. Ich wünschte, sein Blick würde mehr bedeuten,
als der bloße Appetit eines abwartenden Wolfes.
    Du weißt
aber wohl, dass du ihm dazu ebenbürtig sein müsstest, tritt meine innere
kritische Stimme mal wieder in einen Dialog mit mir. Aber du bist kein Wolfer. Du
bist ein Mensch und du bist schwach. Pa:ris konnte dich ohne Gegenwehr
verprügeln … Ich balle die Fäuste. Ich
werde lernen zu kämpfen und zu denken wie ein Wolfer. Mich verprügelt niemand
mehr und ich werde niemandes Beute sein.
    Eisern zwinge ich mich, die warme Luft, den
frischen Wind und den Duft des Grases mit jeder Pore meines Körpers

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