Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze
Menge Gills gesehen. Warum sitzt Connor im Rollstuhl? Ist er das
Opfer eines Kampfes? Was ist wohl aus seinem Gegner geworden? Mir behagt die
Antwort nicht, die ich mir vorstelle. Ist er deshalb hier im Erziehungslager?
Als der Unterricht beendet ist, will ich nur noch
fort.
»Soraya?«
»Ja«, nuschele ich und weiche seinem Blick aus.
»Was hat dich so durcheinander gebracht?«
»Nichts«, lüge ich. »Mein Arm schmerzt.«
»Soll ich dich zur Krankenstation bringen?«
»Nein, so schlimm ist es nicht.«
Offenbar hat er die Sache von vorhin längst
vergessen. Und irgendwie kann ich seine Wut auch nachvollziehen – Fred hätte ihn
nicht provozieren dürfen, nur weil er im Rollstuhl sitzt.
»Du warst gestern Abend das Gespräch hier. Wow! Ein Mädchen kämpft mit einem Falkgreifer.«
Connor kneift die Augen zusammen. »Und schlägt das Biest in die Flucht. Alles
ohne Waffen und ohne Kampfausbildung.«
Für einen Moment frage ich mich, was er mir gerade
sagen will. Macht er sich lustig über mich? Ich könnte es ihm nicht verdenken,
denn natürlich hat derjenige, der ihm die Geschichte erzählt hat, maßlos
übertrieben.
»Du spinnst. Das war kein Kampf. Wer so etwas
behauptet, der lügt. Ich habe nur versucht, das Biest mit einer Holzlatte auf
Abstand zu halten. Dann hat irgendwo in den Bergen jemand rumgeballert und das
Biest flog auf und davon.«
Connors Blick verdunkelt sich. »Bist du dir
sicher?«
»Was meinst du?«
»Dass ein Schütze aus den Bergen das Biest
vertrieben hat.«
»Nein, der Falkgreifer hat mich natürlich gefressen.
Ich bin tot. Dummerweise habe ich bis eben das himmlische Kanonenfeuer für
Schüsse aus den Bergen gehalten und stelle gerade fest, dass es im Paradies genauso
beschissen ist, wie auf der Erde«, blaffe ich ihn an.
Er hebt die Arme. »Entschuldigung, falls ich was
Falsches gesagt habe.«
»Nein, schon gut. Aber alle fragen mich dasselbe.
Fragt doch die Offizierin, ob sie mehr gesehen hat. Ich jedenfalls nicht. Ich bin
fast gestorben vor Angst.«
***
Eigentlich bin ich krankgeschrieben, aber ich
muss trotzdem mit zum Sportunterricht, da spontan niemand sagen kann, was ich in
der freien Zeit machen soll.
»Du Glückspilz«, raunt Barbie mir zu. »Du kannst dich
auf der Bank ausruhen.« Sie zeigt auf meinen Arm. »Ich habe es gerade erst erfahren.«
Mir liegt auf der Zunge, dass manche Menschen eben
alles ein wenig später mitbekommen. Doch dann verkneife ich mir die Bemerkung.
In Barbies Gesicht liegt eine Mischung aus Neugier und Anerkennung. Ich
beschließe, das als Friedensangebot zu werten.
»Was hast du denn für eine Note im Aufsatz
bekommen?«, frage ich.
Sie wird rot und senkt den Blick. »Ein Gut.«
Ich lache. »Glückwunsch! Ich habe immerhin noch
ein knappes Befriedigend erhalten.«
»Ehrlich?«
»Ja.«
Ich weiß, was sie in diesem Moment denkt. Ist doch
gar nicht so schlecht, was sie geschrieben hat. Ich lese es in ihren Augen. Sie
weiß ja nicht, was ich an ihrem Text verbessert habe.
»Soraya Mistral!« Der Sportlehrer winkt mich in
eine Ecke der Halle. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Connor mich beobachtet.
Ich tue so, als würde ich ihn nicht bemerken und gehe zum Lehrer.
»Wie geht es Ihrem Arm?«
»Tut höllisch weh«, lüge ich.
Er greift nach meinem Arm und drückt auf dem
Verband herum. Das tut nun wirklich weh.
»Autsch!«
Ich versuche den Arm wegzuziehen, aber mein Lehrer
hält mich am Handgelenk fest.
»Hör zu, du dämliche Göre!«, duzt er mich
plötzlich und drückt erneut meinen Arm. »Wenn ein Falkgreifer dich frisst, sagst
du nicht bloß Autsch. Hast du das kapiert?«
Ich nicke und beiße mir auf die Lippe. Er lässt
nicht los. Was soll das werden? Will er mich quälen?
»Loslassen, bitte!«
»Nein. Wehr dich!«, fordert er mich heraus.
Mir wird plötzlich unerträglich heiß. Adrenalin spült
in Wellen durch meine Adern. Ich kann es deutlich spüren – mit jedem Schub
beschleunigt mein Herzschlag. Wie von selbst ballt sich meine freie Hand zur
Faust, und ich hole im weiten Bogen zum Schlag aus.
Mein Lehrer hält blitzschnell die angreifende Hand
fest. Du bist zu langsam, sagt mir
sein hämischer Blick. Das ist meine Chance. Ich schnelle mit dem Knie hoch.
Ramme es direkt in seine Weichteile.
Überrascht lässt er los. Er keucht. »Wo haben Sie
das gelernt?«
Sicherheitshalber gehe ich einen Schritt
rückwärts. »Das sind meine natürlichen Reflexe.« Ich hebe entschuldigend die
Hände. »Tut mir leid. Sie
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