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Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Titel: Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Twin
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mich in Richtung Tür. »Mitkommen!
Du bekommst sofort einen frischen Verband.«
    »Danke«, hauche ich.
    »Wer hat dich verbunden? Das geht so nicht. Machen
die das auf der Krankenstation zum ersten Mal?«, motzt sie.
    Ich verkneife mir ein Grinsen bei dem Gedanken,
dass Becky meine Sachen aufräumen muss.
    »Hast du Schmerzen?«
    »Ja, höllisch«, lüge ich und male mir aus, mehrere
Wochen krank geschrieben zu werden. Bis ich jemals wieder beim Sport antreten
muss, ist Kills Identität längst aufgeflogen. Er kann natürlich rechtzeitig
fliehen. Hauptsache, er kommt nie wieder in meine Nähe. Allmählich vergisst er,
dass er mich jagen wollte. Ich werde ihn nie wieder sehen – nie wieder an ihn
denken …
    »Solange wir Medizin haben, musst du nicht die
Tapfere spielen. Ich gebe dir Heilsalbe und dann koche ich dir einen
Kräutertee. Davon schläfst du gut und morgen bist du fast schon wieder gesund«,
holt Reisle mich auf den Boden der Tatsachen zurück.

 
    Fähigkeiten

 
    E ndlich fällt mir ein, weshalb
mir der Geruch auf der Erziehungsstation Premium so vertraut vorkommt und mich restlos in Geborgenheit hüllt. Es ist der besondere
Bohnerwachs. Der Holzboden in der Halle der Hohepriesterin Alda Sanctanima roch
ebenso. Dort auf den Dielen, die nach Honig-Mandelkuchen dufteten, lauschte ich
als Kind den Geschichten über die unsichtbaren Götter, die uns vor den bösen,
wilden Bestien beschützen sollten. Sènna (so riefen wir sie, bevor sie zur
Hohepriesterin ernannt wurde), erzählte uns Weissagungen über eine Zukunft, in
der die Erde ein friedliches Paradies sein würde. Dabei sprach die Priesterin
stets mit so viel Wärme, als sei sie direkt von der Sonne zu uns Menschen
geschickt worden.
    Ich atme den Geruch meiner Kindheit ein und laufe
durch den sonnengelb gestrichenen Flur. Erneut bereue ich, dass ich nicht auf
den komfortableren Premiumplatz bestanden habe. Als ich jedoch den Klassenraum
betrete und Babettes arroganten Augenaufschlag erblicke, verpufft mein
kindliches Sehnen auf der Stelle. Nur Connor scheint mir der einzige Lichtblick
unter den Schülern zu sein. Er hebt den Kopf und winkt mich an seinen Tisch.
Heute ist der Platz neben ihm frei.
    »Magst du dich zu mir setzen?«
    »Gern.«
    Der Junge mit den Zimtsommersprossen, der vor mir
sitzt, dreht sich zu mir um und starrt mich an. Sein Mundwinkel zuckt und seine
Augen sind merkwürdig starr. Der Gesichtsausdruck ist eine Mischung aus
Gleichgültigkeit, Belustigung und Zorn. Hat er etwa geglaubt, er könne bei mir
landen? Er ist doch noch ein Kind.
    »Tut mir leid«, rufe ich ihm zu.
    Er zuckt mit den Schultern. »Was willst du bei dem
halben Kerl?«
    Connor schnaubt und stößt sich vom Tisch ab. Er
ist drauf und dran, zu dem Jungen zu rollen und ihm eine Abreibung zu verpassen
– das sehe ich an seinem zornigen Gesichtsausdruck. Er hat die Hände schon an
den Greifreifen liegen.
    Ohne nachzudenken lege ich meine Hand auf seine. »Lass
es!«, zische ich. »Er ist den Ärger nicht wert.«
    Wütend starrt Connor mich an. Erschrocken ziehe
ich die Hand zurück. Aus seinen Augen blitzt die Entschlossenheit eines
Killers. Als er bemerkt, wie sehr er mich ängstigst, senkt er den Blick.
    »Tut mir leid«, stammelt er leise und rollt wieder
an den Tisch ran. Ich sehe wie seine Kieferknochen malen. Er schnappt sich
einen Bleistift und umklammert ihn so fest, dass seine Handknöchel weiß
hervortreten. Sein Brustkorb hebt und senkt sich. Offenbar kontrolliert er
mühsam seine Atmung.
    Plötzlich wird mir bewusst, dass ich ihn die ganze
Zeit anstarre. Ich blinzele. »Connor? Hörst du mich?«
    Er bleibt reglos, sagt kein Wort.
    Zaghaft streiche ich mit dem Zeigefinger über
seinen Handrücken. »Mach die halbe Portion beim Armdrücken platt!«, raune ich
ihm zu. Ich erinnere mich, dass ich Pa:ris mehr als einmal ebenso grimmig neben
mir sitzen hatte. Immer ging es darum, wer der stärkste Kerl war. Die Jungs
haben einfach ihre Hormone nicht im Griff.
    Connors Hand wird plötzlich schlaff, er wendet
langsam den Kopf. »Armdrücken? Eine gute Idee.« Er zwinkert mir zu, ist wie
umgewandelt.
    Erleichtert lehne ich mich auf meinem Stuhl
zurück.
    Doch während des Unterrichts schweifen meine
Gedanken immer wieder ab. Dieser vernichtende Blick in Connors Augen. Ich kann
darüber nicht hinweggehen. Da lag eine gnadenlose Härte drin. Es war der Blick
eines Mannes, der es gewohnt ist zu kämpfen und zu töten. Ich habe diesen Blick
bereits bei einer

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