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Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Titel: Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Twin
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wollten es
so.«
    Er kneift die Augen zusammen. »Sie erinnern mich
an eine Frau mit ähnlichem Kampfgeist.«
    »Was ist aus ihr geworden?«, frage ich und male
mir aus, dass sie eine angesehene Gill-Offizierin geworden ist.
    »Die Frau ist tot.«
    Ich schlucke.
    Der Lehrer geht einen Schritt auf mich zu und
sieht mir prüfend in die Augen. »Ich sehe Sie heute Abend …« Er dreht den Kopf
zur Seite.
    Connor starrt uns an. Wie lange beobachtet er uns
schon? Ich fühle mich wie auf dem Präsentierteller, denn ich bemerke, dass die
meisten Schüler mich anstarren.
    »Mistral«, sagt mein Lehrer. »Ich sehe Sie heute
Abend doch nicht zum Training«,
ändert er überraschend seine Aussage von eben. »Sie müssen erst wieder richtig
gesund sein. Ersatzweise nehme ich mir heute mal Connor vor.«
    Er grinst und geht mit riesigen Schritten auf
Connor Doubt zu.
    Barbie kommt mir entgegen. »Süße, tut es sehr weh?«
Sie legt mir den Arm um die Schulter. »Finn Erikson ist ein Arsch. Den Tritt in
die Eier hat er mehr als verdient.«
    Ich stehe reglos vor ihr und fühle mich benommen
wie nach einem K.O.-Schlag. Mein Herz klopft gegen meine Rippen als wollte es
ausbrechen. Meine Lungen schmerzen als hätte jemand heißes Öl hinein
geschüttet. Ich weiß gar nicht wie ich Atmen soll. Also verharre ich so lange
in Starre, bis ich meinen Körper wieder unter Kontrolle habe. Mit zitternden
Knien gehe ich zur Bank und setze mich.
    »Alles in Ordnung?«, fragt Barbie besorgt. »Du
siehst so blass aus.«
    »Geht schon wieder.«
    »Wenn du wieder gesund bist, zeigst du mir dann
mal, wie du das gemacht hast?«
    Ich nicke, obwohl ich nicht weiß, wie ich das mache. »Geh lieber zum
Training, bevor Erikson dich auch noch im Visier hat.«
    Sie klimpert mit ihren langen Wimpern, als wolle
sie noch etwas sagen. Dann läuft sie zurück zu den Bogenschützen.
    Ich kralle mich an der Bank fest. Was war das
eben? So kenne ich mich gar nicht. Ich wundere mich selbst am meisten über mein
Handeln. Es scheint mir, als würde ein neuer Mensch in mir erwachen. Liegt es
an meiner Angst? Sind es meine Überlebensinstinkte? War ich schon immer so? Nein, unmerklich schüttele ich den Kopf.
Das wüsste ich. Bist du dir da so
sicher?, widerspricht der Kritiker in meinem Kopf.
    Mir geht das belauschte Gespräch meiner Eltern
nicht aus dem Kopf. Mein Vater war sich so sicher, dass die innere Rebellin
ausbricht, wenn ich den Versuch starte, eine Gill zu werden. Ist es das, was
ihm so sehr Angst gemacht hat? Durfte ich deshalb nie an Wettkämpfen
teilnehmen? All die Jahre hat er behauptet, ich sei zu schwach, um
anstrengenden Sport zu machen. Er hat es mir von klein auf eingebläut, bis ich
es beinahe geglaubt habe.
    Ich gehe in Gedanken die letzten Tage durch. Was
hat sich in meinem Leben geändert? Eigentlich alles. Aber mit dieser Antwort
würde ich es mir zu leicht machen.
    Seit wann genau hat es angefangen? Als Pa:ris mich geschlagen hat? Oder schon vorher,
als ich Kill und dem Greifer begegnet bin? Etwas ist anders mit mir. Ich muss
an das Klettern an der Trainingswand denken, an den Kampf in dem Apfelbaum, und
an die Herausforderung meines Lehrers. Es war nicht normal, wie ich mich
gewehrt habe. Er fragt zu recht, wo ich
das gelernt habe.

 
    ***
    Für den Nachmittag bin ich dem Packdienst
zugeteilt. Frau Kasten überbringt mir persönlich die Nachricht, wo mein
nächster Einsatzort ist. Mein Job ist es, die Packlisten in Halle U 220, am
Laufband D, zu kontrollieren. Ich soll außerdem sicherstellen, dass die Hälfte
der Ernte für die Götter abgepackt wird. Ich sichere ihr zu, dass ich mein
Bestes geben werde.
    Sie beschreibt mir den Weg und drückt mir
zusätzlich eine digitale Wegekarte in die Hand. Dann steckt sie meine
Personen-Erkennungsmarke an einen Tablett-PC und überträgt die Daten für den Arbeitsauftrag.
»Nicht verlieren! Hängen Sie sich die Marke um den Hals und stecken Sie sie
unter das Hemd, damit Sie nicht daran hängen bleiben!«
    »Sofort!«, antworte ich pflichtbewusst und lege
automatisch die flache Hand zum Gruß an mein Herz.
    Die Oberaufseherin macht es mir gleich, dann dreht
sie sich um und geht.
    Uff! Erleichtert schlinge ich den letzten Bissen
vom Mittagessen runter, räume mein Geschirr auf das Laufband und winke Babette
zu.
    »Mach’s gut!«
    »Bis morgen«, ruft sie und winkt zurück.
    Babette muss Kirschen entkernen. Sie ist nicht
glücklich darüber, da sie um ihre schönen langen Fingernägel fürchtet.

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