Readwulf
Erklärung … sehr plausibel!«, redetet ich mir gut zu, wusste aber genau, dass dies kein Zufall sein konnte.
Dr. Sharma kam gerade zurück, als ich meine Daten löschte.
»Na habe sie eine gude Ergebnis erhalde?«
Ich nickte schnell zustimmend und fragte ausweichend: »Was machen wir jetzt?«
Er erklärte mir, dass noch einige Diktiergeräte abgeschrieben werden müssten und dass das eine gute Beschäftigung für die kommenden Stunden wäre. Wenn wir eine Einlieferung bekämen, würde er mich holen. Er zeigte mir meinen Arbeitsplatz für den Rest der Nacht und ließ mich allein mit meiner neuen Aufgabe und den wirren Gedanken in meinem Kopf zurück.
Die Schreiberei lenkte nur bedingt vom Grübeln ab und so kam ich nur schleppend voran. Meine Ablösung gegen sechs Uhr morgens würde gewiss einiges aufarbeiten müssen.
Ich hingegen fiel daheim ins Bett und schlief wie ein Stein bis zwei Uhr Mittags durch. Erst der duftende Geruch von frisch aufgebrühtem Kaffee aus der Küche weckte mich sanft. Cloé musste wieder daheim sein!
***
Kapitel 4
Keine Antwort
»Wo warst du?«
»Daheim in Falmouth, meine Eltern besuchen«, antwortete Cloé.
»Oh und gibt es was Neues?« Ich wusste, dass die Frage total blöd war, aber mir viel einfach nichts Besseres ein. Was sollte sie mir darauf schon antworten? Ich kannte ihre Familie ja nicht einmal.
Sie zuckte erwartungsgemäß mit den Schultern und antwortete dann erstaunlich trocken: »Granny hat keine Zähne mehr. Sie hat ihre Prothese verlegt!«
Zwei Sekunden später prusteten wir beide laut los. Bestimmt konnte man unser Gelächter im ganzen Haus hören. Ich hielt mir nach ein paar Minuten den Bauch vor Schmerzen und die Tränen flossen nur so dahin.
Cloé war puterrot vom Gekreische und ihre holprige Lache brachte mich immer wieder zum Ausbruch. Mein Gott, ich hatte lange nicht mehr so gelacht.
Als wir uns endlich beruhigten, lächelten wir uns beide noch immer an: Gesichtslähmung.
»Ist dieser Readwulf wirklich dein Cousin?«, fragte ich. Diese Frage brannte mir schon seit Tagen unter den Nägeln, länger zurückhalten konnte ich sie einfach nicht mehr.
»Ja, ist er. Er ist das Ziehkind von Onkel Darius, dem älteren Bruder meines Vaters. Nur weil du es bestimmt ganz genau wissen wolltest, oder?« Ihren Augen funkelten mich frech an und ihr Kopf neigte sich auffordernd zur Seite.
Das Schlimme daran war, dass sie damit auch noch Recht hatte. Klar wollte ich das ganz genau wissen und zwar alles. Ich fand Readwulf anziehend und abstoßend zu gleich. Er warf zu viele Fragen in mir auf, ich träumte von ihm und sein vertrauter Geruch verwirrte mich. Ständig war er unerwartet irgendwo aufgetaucht, aber seit ein paar Tagen war er wie vom Erdboden verschluckt. »Seht ihr euch oft?«, fragte ich.
»Er ist bei meinem Onkel und muss einige Dinge in Buckfast erledigen. Er wird morgen zurück sein. Das wolltest du doch eigentlich wissen.«
Cloé war verschlagen. Ach was: Sie war eben eine Frau und keine dumme.
»Hmm, aber nur weil ich nicht weiß, was ich von ihm halten soll.«
Na toll! Jetzt denkt die, ich bin total verknallt .
Ich merkte, wie Wut in mir aufstieg. Mit `verliebt´ hatte das hoffentlich nichts zu tun, so was konnte ich jetzt nicht gebrauchen. Und dann ausgerechnet der!
»Ach was, Papalapap! Readwulf ist wirklich in Ordnung. Ich kann ihn gern zum Essen einladen, dann bekommst du Gelegenheit, mehr als nur vier Sätze mit ihm zu wechseln! Was meinst du?«
»Jetzt mach mal einen Punkt Cloé, so interessant ist er nun wirklich nicht für mich!«, fauchte ich zurück und dann lachte sie wieder laut los.
»D … d … du müsstest dich mal ansehn.« Sie stotterte vor Gelächter. Irgendwie überkam es mich bei ihrem Anblick ebenfalls. Wir gröhlten.
***
Die Straße nach `Buckfast Abbey´ zog sich ewig in die Länge, bis er im Tal den großen Turm der Klosterkirche erblicken konnte. Sofort kamen heimatliche Gefühle in ihm hoch: Hmm, tut gut, mal wieder zu hause zu sein, dachte er.
Das Kloster war eine imposante Mischung verschiedener Baustile, nicht nur weil es aus einem etwas moderneren Neubau der großen Klosterkirche bestand. Besonders der ältere Teil des Bauwerks, der noch immer von den Ordensbrüdern bewohnt wurde, hatte es ihm angetan.
Die Scheibenwischer bewegten sich hektisch hin und her, als Readwulf den Motor abstellte und eilig sein Fahrzeug verließ. Er war durchnässt, als er den beidseitig überdachten Treppenaufgang zum Wohntrakt
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