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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Du Maurier
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die Seiten durch und sah, daß das Buch einen vollständigen Jahresbericht enthielt, so daß die Hausfrau nachträglich bis auf den Tag genau, ja, fast bis auf die Stunde feststellen konnte, welche Nacht der betreffende Gast unter ihrem Dach verbracht, wo er geschlafen und was für Mahlzeiten sie ihm vorgesetzt hatte. Auch ein Notizbuch befand sich in der Schublade, mit dicken, weißen Bogen, und das Briefpapier des Hauses mit dem Familienwappen und aufgedruckter Adresse, und in einer kleinen Schachtel entdeckte ich elfenbeinfarbene Visitenkarten.
    Ich nahm eine aus der dünnen Seidenpapierhülle heraus und betrachtete sie. «Mrs. de Winter» stand darauf und unten in der Ecke: «Manderley». Ich legte sie wieder in die Schachtel und schloß die Schublade, weil ich mich plötzlich schuldbewußt fühlte und mir so indiskret vorkam, als wäre ich in einem fremden Haus zu Besuch. Und als dann auf einmal das Telephon vor mir läutete, so unvermittelt und beunruhigend, klopfte mir das Herz, und ich schrak entsetzt hoch, weil ich glaubte, ertappt worden zu sein.
    Mit zitternden Händen nahm ich den Hörer ab. «Wer ist da?» sagte ich. «Wen wünschen Sie?» Vom anderen Ende der Leitung erklang ein merkwürdiges Summen, und dann vernahm ich eine leise und ziemlich rauhe Stimme, ob von einem Mann oder einer Frau, konnte ich nicht unterscheiden. «Mrs. de Winter?» sagte sie fragend, «Mrs. de Winter?»
    «Ich fürchte, Sie haben sich geirrt», sagte ich. «Mrs. de Winter ist schon vor mehr als einem Jahr gestorben.» Abwartend saß ich da und starrte blöde in die Hörmuschel, und erst als der Name mit ungläubiger, leicht erhobener Stimme wiederholt wurde, kam mir, während mir das Blut ins Gesicht stieg, zu Bewußtsein, daß ich einen nicht wiedergutzumachenden Fehler begangen hatte und meine Worte nicht mehr zurücknehmen konnte. «Hier spricht Mrs.
    Danvers, Madam», sagte die Stimme, «ich spreche vom Haustelephon aus.» Meine
    Entgleisung war so ungeheuerlich, so idiotisch und so unentschuldbar, daß es mich in ihren Augen zu einem noch größeren Dummkopf gestempelt hätte – falls das überhaupt möglich war –, wenn ich schweigend darüber hinweggegangen wäre.
    «Es tut mir leid, Mrs. Danvers», sagte ich stammelnd, und meine Worte stolperten förmlich übereinander, «das Klingeln hat mich so erschreckt. Ich wußte gar nicht, was ich sagte. Ich habe mir gar nicht klar gemacht, daß der Anruf mir galt und daß ich in das Haustelephon sprach.»
    «Ich bedauere, Sie gestört zu haben», sagte sie, und ich dachte: sie weiß es, sie hat erraten, daß ich die Schublade öffnete. «Ich wollte nur wissen, ob Sie mich zu sprechen wünschen», sprach sie weiter, «und ob Sie mit dem Menü für heute einverstanden sind.»
    «Oh», sagte ich, «sicherlich bin ich das, ich meine, ich werde gewiß damit einverstanden sein; machen Sie es nur ganz so, wie Sie es für gut halten, Mrs. Danvers. Sie brauchen mich wirklich nicht danach zu fragen.»
    «Ich glaube, es ist doch besser, Sie lesen es sich einmal durch», fuhr die Stimme fort. «Das heutige Menü liegt auf der Schreibunterlage vor Ihnen.»
    Hastig suchte ich danach und fand schließlich ein Blatt Papier, das ich bisher nicht gesehen hatte. Ich überflog es rasch: Garnelen in Curry, Kalbsbraten, Spargel, kalte
    Schokoladenspeise – ob das nun das Mittag-oder Abendessen war, konnte ich nicht erkennen. Ich vermutete, das Mittagessen.
    «Ja, Mrs. Danvers», sagte ich, «das finde ich sehr passend, wirklich sehr gut.»
    «Wenn Sie etwas geändert haben möchten», entgegnete sie, «sagen Sie es mir bitte gleich, damit ich den entsprechenden Auftrag geben kann. Sie werden wohl gesehen haben, daß ich neben der Sauce eine Zeile frei ließ, damit Sie Ihre besonderen Wünsche dort vermerken. Ich war mir nicht sicher, was für eine Sauce Sie zum Kalbsbraten vorziehen. Mrs. de Winter war gerade in dem Punkt sehr eigen, und ich mußte deshalb immer anfragen.»
    «Ah, so», sagte ich, «ja … lassen Sie mich etwas nachdenken, Mrs. Danvers; ich weiß eigentlich nicht recht, halten Sie es doch ruhig so, wie Sie es gewohnt sind, wie Mrs. de Winter es angeordnet haben würde.»
    «Sie haben keinen besonderen Wunsch, Madam?»
    «Nein», sagte ich, «nein, wirklich nicht, Mrs. Danvers.»
    «Ja, Mrs. de Winter hätte wohl eine Weinsauce angeordnet.»
    «Dann wollen wir selbstverständlich dabei bleiben», sagte ich.
    «Entschuldigen Sie nur bitte, daß ich Sie beim Schreiben gestört

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