Rebecca
habe, Madam.»
«Sie haben mich gar nicht gestört», erwiderte ich, «Sie brauchen sich wirklich nicht zu entschuldigen.»
«Die Post geht mittags ab, und Robert wird Ihre Briefe holen und frankieren», sagte sie darauf; «wenn Sie irgend etwas Dringendes wegschicken wollen, brauchen Sie ihn nur durch das Haustelephon rufen zu lassen. Er wird dann dafür sorgen, daß Ihre Briefe sofort zur Post gebracht werden.»
«Vielen Dank, Mrs. Danvers», antwortete ich. Ich lauschte noch ein Weilchen, aber sie sagte nichts mehr, und dann hörte ich es am anderen Ende leise knacken. Sie hatte also den Hörer aufgelegt, und ich tat es ihr nach.
Dann sah ich wieder auf den Schreibtisch, auf das Briefpapier, das auf der Unterlage bereitgelegt war. Die Schildchen auf den Fächern vor mir starrten mich an, und ich empfand die Worte darauf: «Unbeantwortete Briefe», «Verwaltung», «Verschiedenes» wie einen Vorwurf für meine Untätigkeit. Die Frau, die vor mir hier saß, hatte ihre Zeit nicht so verschwendet wie ich. Sie hatte schnell und bestimmt ihre Befehle für den Tag gegeben, und wahrscheinlich hatte sie das eine oder andere Gericht auf dem Menü durchgestrichen, das ihr nicht gefiel. Sie hatte nicht «Ja, Mrs. Danvers, selbstverständlich, Mrs. Danvers» gesagt, wie ich es getan hatte. Und nachdem sie das erledigt hatte, begann sie ihre Briefe zu beantworten, fünf, sechs, vielleicht sieben an einem Tag, in derselben merkwürdigen schrägen Handschrift, die ich so gut kannte, und zum Schluß hatte sie unter jeden Brief ihrer Privatkorrespondenz ihren Namen geschrieben: «Rebecca», mit dem ausladenden, schrägen R, das die kleineren Buchstaben beiseite drängte.
Ich trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Es fiel mir niemand ein, an den ich hätte schreiben können. Nur Mrs. Van Hopper. Und es lag so etwas Ironisches, geradezu ein Hohn in der Tatsache, daß ich hier vor meinem eigenen Schreibtisch in meinem eigenen Haus saß und nichts Besseres zu tun hatte, als Mrs. Van Hopper zu schreiben, einer Frau, die mir unsympathisch war und die ich nie wiedersehen würde. Ich rückte den Briefblock zurecht und steckte die schmale Feder mit der blanken Spitze in den Halter. «Liebe Mrs. Van Hopper», begann ich. Und als ich so schrieb, langsam und ungelenk, ich hoffte, sie hätte eine angenehme Überfahrt gehabt, daß sie ihre Tochter wohl angetroffen hätte, daß das Wetter in New York schön wäre, fiel es mir zum erstenmal auf, wie steif und unausgeglichen meine eigene Handschrift war, ohne jeden persönlichen Ausdruck, ohne Stil, ja, geradezu ungebildet, die Schrift einer mittelmäßigen Schülerin, die nur eine zweitklassige Schule besucht hatte.
9
Als ich das Geräusch des Wagens auf der Anfahrt hörte, stand ich erschrocken auf und sah auf die Uhr, denn das konnte nur bedeuten, daß Beatrice und ihr Mann angekommen waren.
Es war erst kurz nach zwölf; sie kamen viel früher, als ich erwartet hatte. Und Maxim war noch nicht zurück. Ich überlegte, ob ich mich wohl verstecken, durch die Glastür in den Garten gehen konnte, so daß Frith, wenn er sie ins Morgenzimmer führte, sagen würde: «Die gnädige Frau muß spazierengegangen sein»; das würde doch ganz glaubhaft klingen, und sie würden gar nichts dabei finden. Die Hunde blickten fragend auf, als ich zur Tür lief, und Jasper folgte mir schwanzwedelnd.
Die Glastür führte auf die Terrasse und den kleinen Rasen hinaus, doch als ich gerade an den Rhododendronbüschen vorbeilaufen wollte, kam das Geräusch der Stimmen näher, und ich flüchtete mich wieder ins Haus. Sie wollten offenbar durch den Garten gehen, da Frith ihnen zweifellos mitgeteilt hatte, daß ich mich im Morgenzimmer auf-hielte. Ich ging rasch in den großen Salon und eilte auf die erstbeste Tür zu meiner Linken zu. Sie führte auf einen untapezierten Korridor, und ich rannte ihn blindlings entlang, obwohl ich mir meiner Torheit völlig bewußt war und mich wegen dieses plötzlichen Anfalls von Nervosität selbst verachtete; aber ich wußte, ich konnte diese fremden Menschen jetzt einfach nicht begrüßen, jedenfalls nicht sofort. Der Gang schien in die Küchenregionen zu führen, und als ich um eine Ecke bog, kam ich wieder an eine Treppe, wo ich einem Dienstmädchen begegnete, das ich noch nicht gesehen hatte. Es starrte mich verwundert an, als ob ich eine Erscheinung sei, die in diesem Teil des Hauses nichts zu suchen hatte. «Guten Morgen!» rief ich ihr verwirrt zu, während ich auf die
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